Ukraine fordert Rückzug Russlands aus Atomkraftwerk
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AKW Saporischschja besetzt:Ukraine fordert Rückzug Russlands aus Atomkraftwerk

Selenski warnt wegen Kampf ums AKW Saporischschja
«Nuklearkatastrophe könnte auch EU treffen»

Das grösste Atomkraftwerk Europas ist seit Monaten unter russischer Kontrolle. Die letzten Tage wird es vermehrt beschossen. Aber auch bei einem Waffenstillstand bliebe die Gefahr einer Nuklearkatastrophe in Saporischschja real.
Publiziert: 16.08.2022 um 17:21 Uhr
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Immer wieder kommt es auf dem AKW-Gelände zu Einschlägen von Geschützen. Damit steigt die Gefahr einer Nuklearkatastrophe.
Foto: AFP
Fabian Vogt

Seit Wochen wird das AKW Saporischschja beschossen. Anfang August gingen Raketen in der Nähe eines Atommüllagers, eines Stickstoff-Sauerstoff-Lagers und eines Umspannwerks nieder. Ein paar Tage darauf kam es zu Einschlägen nahe der Leitzentrale und in der Nähe der Betriebsfeuerwehrwache. Am vergangenen Wochenende wurde laut Berichten eine Pumpstation getroffen.

Diesen Montag konnte der «Spiegel» mit einem Ingenieur vor Ort sprechen. Er sagte: «Es gibt mittlerweile fast ständig Beschuss: gestern Abend, heute Morgen und nun gerade wieder neben Reaktorblock eins.»

Niemand übernimmt Verantwortung

Die Ukraine sagt, die Russen benutzen das grösste Atomkraftwerk Europas als Schutzschild, um die Ortschaften auf der anderen Seite des Flusses Dnjepr zu beschiessen. Im Wissen, dass die Ukraine aus Angst vor einem Atomunglück nicht zurückschiessen würde. Die Djnepr trennt die von den Russen und Ukrainern kontrollierten Gebiete.

Die von Moskau eingesetzte Verwaltung in den russisch kontrollierten Gebieten behauptet hingegen, die Ukraine sei für die Angriffe verantwortlich. Sie haben aus dem AKW eine Festung gemacht und laut Militärberichten Hunderte Soldaten dort stationiert, darunter auch Wagner-Söldner.

Wer lügt, oder ob beide schiessen, ist derzeit nicht klar. Sicher aber ist: Jedes Mal, wenn es beim AKW bebt, zittert die Welt.

«Die Welt soll Tschernobyl nicht vergessen»

Seit Tagen warnt Wolodimir Selenski (44) vor den Folgen einer Nuklearkatastrophe und fordert den Westen zu Sanktionen gegen Russlands Atomindustrie auf. Bisher ist das nicht passiert. Am Montag wählte der ukrainische Präsident in seiner täglichen Ansprache noch dramatischere Worte: «Die Welt sollte Tschernobyl nicht vergessen und sich daran erinnern, dass das Atomkraftwerk Saporischschja das Grösste in Europa ist.» Jeder radioaktive Zwischenfall könne auch zu einem Schlag gegen die Staaten der Europäischen Union und gegen die Türkei und gegen Georgien und gegen die Staaten weiter entfernter Regionen werden. «Alles hängt nur von der Richtung und der Stärke des Windes ab», sagt Selenski.

Damit das nicht passiert, fordern der Westen und die Ukraine eine entmilitarisierte Zone rund um das AKW. Am Sonntag verlangten 42 Staaten – die Schweiz war nicht darunter – von Russland, das Militär sofort vom Gelände zurückzuziehen.

Das ist bisher nicht passiert. Russland diskutiert derzeit mit den Vereinten Nationen, wie ein sicherer Betrieb des AKWs gewährleistet werden kann.

Es droht ein Blackout

Und das führt zu einem weiteren Problem, das auch ein Waffenstillstand rund ums AKW nicht beheben würde. Denn Moskau möchte das Atomkraftwerk an das eigene Netz anschliessen. Dafür müssen aber zuerst die Verbindungen zum ukrainischen Stromnetz gekappt werden. Wie der «Spiegel» mit Verweis auf den lokalen Ingenieur schreibt, seien derzeit noch zwei von ursprünglich sieben Leitungen an die Ukraine angeschlossen. Wenn auch diese unterbrochen würden, müssten Dieselgeneratoren die Kühlung der noch in Betrieb befindlichen Blöcke sowie der verbrauchten Brennstäbe sichern.

«Die Versorgung mit nur zwei Leitungen ist hier in 37 Jahren Betriebszeit noch nie vorgekommen», sagt der Ingenieur dem Magazin. Man habe unterdessen Pläne erarbeitet für den Notfall. Man habe genügend Diesel, um die Generatoren zehn Tage lang zu betreiben. Wenn diese aufgebracht seien und keine Ersatzstromquelle gefunden werde, drohe ein Blackout.

Das würde dazu führen, dass das Kühlwasser verdampfe, was zu einer Kernschmelze führe. Etwa 24 Stunden nach dem Unfall komme es zur Freisetzung radioaktiver Materialien. Der Ingenieur dazu: «Dann haben wir hier Fukushima.»

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