Das hat niemand erwartet. Die US-Milliardenhilfe für die Ukraine, die viele Kommentatoren schon abgeschrieben hatten, wurde am Samstag im Repräsentantenhaus mit einer Dreiviertel-Mehrheit abgesegnet. Die Demokraten stimmten geschlossen mit 210 Stimmen dafür, bei den Republikanern war das Lager gespalten: 101 sagten Ja, 112 sagten Nein.
Da interessieren vor allem die Fragen: Woher kam dieser Meinungsumschwung bei den Republikanern und sogar bei Donald Trump (77)? Und vor allem: Kann die ukrainische Armee mit dem gigantischen Hilfspaket die Russen endlich besiegen?
Ein Neuling legt sich mit den Hardlinern an
An der Spitze des Abstimmungserfolgs steht ein Name, den man sich merken muss: Mike Johnson (52). Der Republikaner ist der Sprecher im Repräsentantenhaus und erst seit knapp einem halben Jahr im Amt. Ein eher zurückhaltender, unerfahrener, geschniegelter Politiker, aber einer, der es gewagt hat, sich mit den Hardlinern seiner Partei anzulegen.
Gegen deren Willen hat er das Ukraine-Paket von 60,8 Milliarden Dollar zur Abstimmung vorgelegt, obwohl ihm der rechte Flügel seiner Partei in diesem Fall mit der Amtsenthebung gedroht hatte. Johnson gewann knapp die Hälfte der Republikaner mit dem Argument, dass bei einem Sieg Russlands nicht nur Europa, sondern auch die USA in einen weiteren Weltkrieg involviert werden könnte und die Positionierung als Weltmacht Nummer eins in Gefahr geriete.
Zudem trennte er die Ukraine-Hilfe von andern Vorlagen wie der Israel- und Taiwan-Hilfe ab und machte aus 9,5 Milliarden Dollar des Beitrags einen Kredit, den die Ukrainer später einmal zurückzahlen müssen.
Ukraine jubelt – zu Recht?
In der Ukraine ist die Freude zwar gross. Präsident Wolodimir Selenski (46) schrieb auf X: «Vielen Dank, Amerika!» Die lebenswichtige Hilfe werde «eine Ausweitung des Krieges verhindern». Mehr noch: Er sehe «eine Chance auf den Sieg». Doch die Ukrainer wissen auch: Die Lieferung wird nicht morgen eintreffen. Vielmehr werden Wochen und Monate vergehen, bis die Hilfe zu greifen beginnt. Dringend benötigt werden Artilleriegeschosse, Munition und Luftabwehrraketen.
In den nächsten Wochen dürfte es für die Ukraine daher noch ungemütlicher werden. Das Institute for the Study of War (ISW) in Washington D.C. rechnet damit, dass die Russen die Zeit bis Eintreffen der Hilfe ausnützen und ihre Angriffe mit Drohnen, Raketen und Gleitbomben verstärken werden, um einerseits Geländegewinne zu machen und andererseits die ukrainische Energie- und Verkehrsinfrastruktur zu schwächen.
Ob die Ukraine nachher das Blatt wenden kann? Die zugesicherte US-Hilfe bezeichnet das ISW zwar als «entscheidenden Wendepunkt im Krieg», warnt aber vor Euphorie. «Der Kreml ist weiterhin in der Lage, seine Wirtschaft und Bevölkerung zu mobilisieren.»
Auch Ralph D. Thiele (70), Vorsitzender der deutschen Politisch-Militärischen Gesellschaft und Präsident von EuroDefense Deutschland, ist eher pessimistisch. «Damit wird der Ukraine nur begrenzt geholfen, da sie sich bereits in einer prekären Lage befindet», sagt er zu Blick. Er redet von «Schadensbegrenzung – und nicht mehr».
Verlierer Trump
Optimistisch ist hingegen der britische Aussenminister und ehemalige Premier, David Cameron (57): «Mit Unterstützung kann und wird die Ukraine gewinnen.» Sicher ist auch: Mit der Milliardenhilfe bekommen die Ukrainer nicht nur neue Waffen, sondern tanken auch Moral, weil sie sehen, dass sie der Westen doch nicht hängenlässt.
Die Abstimmung, die Joe Biden dank des Republikaners Johnson gewonnen hat, erhöhen seine Chancen im Wahlkampf. Verlierer sind der russische Präsident Wladimir Putin (71), dessen Adlaten davon sprechen, dass «Tausende Ukrainer durch den Fleischwolf» gehen würden, sowie Donald Trump. Dass fast die Hälfte der Republikaner für das Paket stimmte, bedeutet für den republikanischen Präsidentschaftskandidaten eine Klatsche. Spätestens jetzt muss er zugeben, dass aus einer Laune heraus betriebene Politik weder ihn noch die USA weiterbringt.