Selbst heimische Forscher melden ethische Bedenken
Chinesen wollen Menschen-Embryos im Labor züchten

Forscher in China haben ein Robotersystem entwickelt, das menschliche Embryonen züchten kann. Noch fehlt die gesetzliche Grundlage für die Technologie. Die Forscher hoffen, mit den Brütern dereinst auch Chinas Problem der tiefen Geburtsraten zu lösen.
Publiziert: 31.01.2022 um 08:28 Uhr
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Geburtsstation in einem chinesischen Spital.
Foto: Keystone

Seine während Jahrzehnten geltende, strikte Ein-Kind-Politik hat China aufgegeben. Das Riesenland leidet noch immer unter tiefen Geburtenraten. Jetzt haben chinesische Forscher ein von künstlicher Intelligenz (KI) gelenktes System entwickelt, das menschliche Embryonen im künstlichen Mutterleib betreuen kann.

Es klingt nach Frankenstein – und ist bereits Realität: Das System soll in der Lage sein, Embryonen zu überwachen und zu betreuen, während sie im Labor zu Föten heranwachsen. Die Technologie sei genügend ausgereift, um bereits jetzt mit der Züchtung von Menschen zu beginnen, wie das «Journal of Biomedical Engineering» vergangenen Monat über die chinesischen Wissenschaftler berichtete. Doch auch in China gibt es noch keine rechtliche Grundlage dafür. Überdies melden auch chinesische Forscher ethische Bedenken an.

Die Technologie könnte sogar eine Frau von der Pflicht entbinden, ihr Baby auszutragen. Dies, damit der Fötus sicherer und «effizienter» ausserhalb der Gebärmutter wachsen kann. Das sagen die Forscher hinter dem Projekt, wie die in Hongkong erscheinende Zeitung «South China Morning Post» berichtet.

«Kindermädchen»-Robotersystem

Alles wäre bereit, um mit der kontrollierten Züchtung von Menschen zu beginnen, sagen die Forscher in Suzhou in der ostchinesischen Provinz Jiangsu. Das System mit künstlicher Intelligenz betreut und überwacht Embryonen während ihres Wachstums zu Föten in einer künstlichen Gebärmutterumgebung. Was einzig noch fehlt, ist die rechtliche Grundlage.

Die Technologie steht bereits im Einsatz: nicht bei Menschen, sondern bei einer grossen Anzahl von Tieren, so das «Journal of Biomedical Engineering». Die künstliche Gebärmutter – im Fachkontext «Langzeit-Embryokulturgerät» genannt – ist ein Behälter, in dem Mäuseembryonen in einer Reihe von Würfeln wachsen, die mit nahrhaften Flüssigkeiten gefüllt sind.

Erst hatte noch jeder einzelne Embryo manuell überwacht und betreut werden müssen. Ein System, das sich als zu schwierig erwies. Inzwischen haben die Forscher ein Robotersystem entwickelt, das sie «Kindermädchen» nennen. Die Embryonen können rund um die Uhr minutiös und detailgenau überwacht werden.

Junge Chinesinnen zweifeln an traditioneller Mutterrolle

Das KI-gesteuerte System bewegt sich dabei auf einer Linie auf und ab und kontrolliert die heranwachsenden Embryonen im Akkord. Geringste Abweichungen werden erkannt und damit die Zufuhr von Kohlendioxid, Nährstoffen und die Laborbedingungen fein abgestimmt. Wenn ein Embryo einen schwerwiegenden Defekt entwickelt oder abstirbt, würde die Maschine einen Techniker alarmieren, um ihn aus dem künstlichen Brüter zu entfernen.

Die Forscher selber treten jedoch auf die Bremsen, bevor die Technologie zur Anwendung kommt. Nach geltendem internationalem Recht sind experimentelle Studien an menschlichen Embryonen ab der zweiten Entwicklungswoche verboten. Doch Umfragen in China zeigen demnach auch, dass immer mehr junge Frauen gegenüber einer traditionellen Rolle von Heirat und Kindern abgeneigt sind. Selbst auf chinesischen Internet- und Social-Media-Plattformen wird in China zunehmend über die Technologie der künstlichen Gebärmutter diskutiert – und ob damit der Bevölkerungstrend umgekehrt werden könnte.

Noch gebe es «viele ungelöste Rätsel über die Physiologie der typischen menschlichen Embryonalentwicklung», geben die Wissenschaftler in ihrer Forschungsarbeit zu bedenken. Doch sie arbeiten weiter am Projekt und sind überzeugt: Ihre Maschine kann nicht nur den Ursprung des Lebens und die embryonale Entwicklung des Menschen besser verstehen helfen. Die Technologie könnte «auch Geburtsfehler und andere wichtige Probleme bei der Fortpflanzung beheben». (kes)

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