Null Ansteckungen seit Ende Mai – wie macht Thailand das nur?
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Seit 9 Wochen infektionsfrei:0 lokale Infektionen – wie macht Thailand das bloss?

Seit neun Wochen keine heimischen Infektionen
Null Ansteckungen seit Ende Mai – wie macht Thailand das nur?

Seit Ende Mai hat Thailand keine einzige einheimische Corona-Ansteckung gemeldet. Die WHO rühmt das Land als Vorzeigenation bei der Bekämpfung und Eindämmung von Covid-19. Kann die Schweiz von Thailand lernen? Ja und nein. Thailands Erfolg kommt zu einem hohen Preis.
Publiziert: 26.07.2020 um 10:20 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2020 um 16:40 Uhr
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Wegen Thailands strikter Corona-Abschottungspolitik bleibt Bangkoks Flughafen praktisch menschenleer.
Foto: Keystone
Daniel Kestenholz

Seit dem 25. Mai hat Thailand keine einzige einheimische Coronavirus-Infektion gemeldet. Sämtliche der wenigen bestätigten Ansteckungen seither sind importierte Fälle. Die Zahl der Todesfälle in Thailand stagniert seit Wochen bei 58. Wie schafft es das Land mit seinen 70 Millionen Menschen, die Covid-19-Zahlen so tief zu halten? Und kann die Schweiz, wo sich wie in vielen weiteren Ländern eine zweite Welle ausbreitet, von Thailands Anti-Corona-Politik lernen?

Die Weltgesundheitsorganisation WHO rühmt Thailand neben Neuseeland als Musternation bei der Bekämpfung und Eindämmung des neuartigen Lungenfiebers, das zahllose Nationen rund um den Erdball in Bann hält. Derzeit scheint es gar nicht möglich, sich in Thailand mit dem Virus anzustecken. Doch der Erfolg kommt mit einem hohen Preis. «Null Fälle erweisen sich als Falle», sagte ein Beamter, der anonym bleiben will. «Die thailändische Regierung wird zum Opfer ihrer eigenen Politik».

Um das Land virusfrei zu halten, schottet sich das Land nach aussen ab. Mehrere Wirtschaftssektoren liegen am Boden, insbesondere der Tourismus. Doch nichts deutet darauf hin, dass in diesem Jahr wieder uneingeschränkte Reisen nach Thailand möglich sind. Pro Tag werden derzeit lediglich 200 thailändische Staatsbürger ins Land gelassen – plus ausländische Diplomaten, Flugpersonal, Militärangehörige. Das Land setzt auf strikte Selbstisolation.

Thailand kontrolliert den Reiseverkehr rigoros

Unter den Rückreisenden nach Thailand war unlängst auch ein 21-jähriger BLICK-Leserreporter. Seine Sammelmaschine direkt nach Bangkok war bis auf den letzten Platz voll. Es war keine buchbare Linienmaschine. An Bord des Rückführungsfluges befanden sich ausschliesslich thailändische Staatsbürger, die von ihrer Botschaft grüne Licht für die Rückreise in die Heimat erhalten haben.

200 Rückreisende pro Tag, lautet die strikte Quote. Dabei wird Bangkok inzwischen auch wieder regelmässig von der Swiss, Lufthansa und anderen Airlines angeflogen. Doch deren Hinflüge nach Bangkok erfolgen leer. Die Maschinen dürfen lediglich Cargo an Bord haben. Mit diesen Airlines dagegen aus Thailand auszureisen ist kein Problem.

Zwei Wochen musste der Leserreporter mit thailändischem Pass auf die Flugbestätigung warten. Dann endlich der Anruf der Botschaft, sein Sitz sei reserviert. Der sonst immer so betriebsame Suvarnabhumi-Flughafen war bei der Ankunft praktisch menschenleer. Dutzende Flugzeuge der gegroundeten nationalen Fluglinie Thai Airways standen mit abgedeckten Turbinen parkiert.

Nadelöhr Bangkok

«Alle Ankömmlinge versuchten, sich so gut es ging voneinander zu distanzieren», so der Leserreporter. Nach der Ankunft gings per Bus direkt in die Quarantäne: in ein Touristenhotel in Pattaya. Dort muss er 14 Tage isoliert im Zimmer verbringen – mit bloss zwei Ausflügen ins Krankenhaus, um jeweils einen Corona-Test vorzunehmen. Der erste fiel negativ aus.

Die thailändische Regierung übernimmt Kost und Logis – und auch die Kosten für allfällige Behandlungen, so das Virus festgestellt wird. «Zimmer und Essen sind gut», meldet der 21-jährige Leserreporter aus der Quarantäne, die er inzwischen zur Hälfte hinter sich hat. Strikte Isolationsmassnahmen sind es mitunter, die Thailand zum Corona-Erfolgsmodell machen. Menschen in Thailand können sich ohne Angst vor einer Ansteckungen bewegen, ohne dass sie dabei nachlässig werden.

Diese Null-Rate bei den lokalen Ansteckungen hat Thailand zum einen dank geografischer Vorteile geschafft. Der Grenzverkehr über den Landweg beschränkte sich auch vor Corona vorab auf Güterverkehr und ist relativ einfach zu überwachen und zu regulieren. Seit dem Ausbruch der Pandemie sind sämtliche Grenzen sowie Flughäfen für den allgemeinen Reiseverkehr geschlossen. Einreisen werden allein über Bangkok erlaubt.

Vom Staat bezahlte Quarantäne

Auch einer geringen Zahl von Ausländern, die Familie in Thailand haben, ist die Rückreise inzwischen erlaubt worden – mit dem Unterschied, dass sie für die Quarantänekosten selber aufzukommen und in der «Alternativen staatlichen Quarantäne» (ASQ) unterzukommen haben.

Dank dieser strikten Einreise- und Grenzregelung hat es das Königreich geschafft, bislang lediglich 3282 Infektionen und die verhältnismässig tiefe Zahl von 58 Todesfällen aufzuweisen. Doch das thailändische Erfolgsmodell ist nicht nur strikten Entscheiden der Behörden zu verdanken. Die Bevölkerung reagierte sofort und trug schon Masken, bevor sie dazu angehalten wurde. Da gab es kein Murren im Land. Menschen in Thailand tragen die Schutzmasken so selbstverständlich wie den Regenschirm im Monsun.

Asiatische Pragmatik

Eine anfängliche nächtliche Ausgangssperre mit Alkoholverkaufsverbot hat mitunter geholfen, in der Bevölkerung sogleich den richtigen Respekt vor der neuartigen Infektion zu schaffen. Doch die Menschen hier sind generell pragmatisch und tun, was nützlich scheint.

Bestätigte Infektionen waren zudem frühzeitig ausfindig gemacht und strikte isoliert worden. Und ob man heute in Thailand einkaufen, in den Park oder ins Restaurant geht: Man scannt sich mit einer App per QR Code ein. Das System funktioniert. Eine Diskussion über Datenschutz oder den Verlust von persönlicher Freiheit gibt es nicht.

In einer nächsten Phase der Lockerungen wird auch ausländischen Messeteilnehmern, Filmcrews, medizinischen Touristen sowie Gastarbeitern aus Kambodscha, Laos, Vietnam und Myanmar die Einreise erlaubt, die in der Lebensmittelindustrie und im Baugewerbe arbeiten.

Wann sind Thailand-Ferien wieder möglich?

Bis Touristen wieder uneingeschränkt nach Thailand reisen dürfen, könnten noch Monate verstreichen. In diesem Jahr scheinen Thailand-Ferien kaum mehr möglich. Laut Kirida Bhaopichitr von Thailands Entwicklungsforschungsinstitut (TDRI) wird sich das Königreich erst wieder für die Aussenwelt öffnen, «wenn ein Heilmittel für das Virus gefunden ist» – was, so Kirida, Ende nächsten Jahres der Fall sein soll.

Damit zahlt Thailand auch einen hohen Preis für sein Corona-Erfolgsmodell. Laut dem thailändischen Tourismus-Rat haben bereits 30 Prozent aller Tourismus-bezogenen Unternehmen den Betrieb eingestellt und ihre Lizenzen deponiert, darunter Reiseveranstalter, Busdienste mit einer kleinen Fahrzeugflotte, Restaurants, Souvenirläden und Hotels, die sich früher auf ausländische Reisegruppen konzentrierten – insbesondere den chinesischen Markt.

Im Land gibt es jedoch kaum Diskussionen darüber, dass die Lockdown-Massnahmen zu strikt seien. Laut Umfragen steht die Mehrheit der Bevölkerung hinter der Grenzschliessung für Ausländer, solange die Krise rund um den Erdball andauert. Eine Sicht der Dinge, die auch von der Regierung nicht angefochten wird. «Ausländer» scheinen für die Infektionskrise verantwortlich.

Trotz Corona-Erfolgsmodell: Spannungen im Land wachsen

Im Land herrscht zudem noch immer das Notrecht, das der Defacto-Militärregierung uneingeschränkte Macht verleiht. Trotz Versammlungsverbot kam es am vergangenen Wochenende zu einem ersten Studentenprotest gegen die Regierung seit dem Ausbruch der Pandemie. Verhaftungen gab es keine – der Beweis dafür, so die Regierung, dass sie den Ausnahmezustand nicht dazu nutze, Kritiker mundtot zu machen.

Das Heer der Kritiker und Regierungsgegner dürfte über die nächsten Monate noch anwachsen. Immer mehr Menschen verlieren die Arbeit, während die Regierung an der kontrollierten Abschottung festhält und der Bevölkerung regelrecht Angst davor gemacht wird, das Land sachte zu öffnen.

Kalkulierte und unvermeidliche Risiken einzugehen, das ist nicht Teil von Thailands Corona-Politik. Alle Hoffnungen ruhen auf der rettenden Impfung. Im Oktober will Thailand mit der Erprobung eines selbstentwickelten Coronavirus-Impfstoffs am Menschen beginnen. Erste Tests mit Mäusen und Affen hätten überzeugend die Antikörper gegen das Coronavirus gestärkt. Wenn alles gut geht, soll die Massenproduktion im dritten oder vierten Quartal des nächsten Jahres beginnen.

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