Was haben sich diese beiden nur gedacht, als sie ihre Reise nach Island begannen? Ein junges Paar aus der Schweiz flog im April auf die Insel im Atlantik - und sorgt dort seither mit einem beispiellosen Raubzug für Aufsehen. Sie hätten kein Geld für eine Fahrt in die Hauptstadt Reykjavik, sagten sie gleich nach der Landung zu einer Frau, die am Flughafen gerade ihre Mutter abholte. Sie fasste sich ein Herz, nahm die beiden mit - und sollte dies später bitter bereuen.
Während der Fahrt empfahl die Dame den beiden 23-Jährigen einen Campingplatz, auf dem sie günstig übernachten könnten und setzte sie dort ab. Doch als ihre Mutter später ihre Einkaufstasche mit Wein und teuren Lebensmitteln aus dem Kofferraum holen wollte, war diese weg. Der junge Mann musste sie mitgenommen haben, denn er hatte seinen Rucksack ebenfalls im Kofferraum verstaut.
Also fuhr die Frau zurück. Auf dem Campingplatz waren die beiden Französisch sprechenden Touristen nicht anzutreffen. In einem Geschäft gleich nebenan hatten sie aber eingekauft - und aus dem Verdacht wurde Gewissheit: Auf dem Boden lag der Kassenzettel, den die Mutter in der Tasche gelassen hatte.
Am Ende der Welt festgenommen
Die verzweifelte Frau wandte sich an die Medien, um ihre Landsleute vor den Schweizern zu warnen. Wenig später tauchte die Tasche plötzlich wieder auf. In einem Hostel hatte das Paar sie abgegeben, mitsamt einer Entschuldigung.
Ende gut, alles gut, dachten sich die Menschen in der Hauptstadt. Sie wussten auch, dass das Diebespaar nicht lange bei ihnen bleiben wollte. Der freundlichen Frau mit dem Auto hatten sie erzählt, welche Orte sie sich anschauen würden.
Doch es dauerte nicht lange, da zeigte sich, dass es die beiden mit der Reue nicht ernst gemeint hatten: Am Montag nahm die Polizei die Schweizer fest, in Norðurfjörður, einer kleinen Gemeinde in Árneshreppur am nordwestlichen Ende der Insel. Nur Eisbären, die im Frühjahr mit Eisschollen aus ihrer arktischen Heimat einreisen, stören hier gelegentlich die Idylle. Vor gesetzlosen Vagabunden musste sich die Region zuletzt im Mittelalter fürchten. Damit ist es nun vorbei, denn das Pärchen aus der Schweiz stiehlt wie die Krähen.
Selbsthilfegruppe im Internet
Inzwischen haben besorgte Anwohner jedoch eine Facebook-Gruppe gebildet, mit der sie sich selber vor den Rucksack-Touristen schützen wollen. Denn aus den Küchen der Region und dem Fischvorrat eines Campingplatzes verschwanden zuletzt immer wieder auf mysteriöse Weise Lebensmittel. Einer alten Frau wurde der Kuchen genommen, und auch in eine Kirche sollen die Schweizer eingebrochen sein, berichtet «visir.is».
Dass die Polizei erst jetzt eingriff, ist erstaunlich. Vor zwei Wochen wurde in einen Supermarkt eingebrochen, zahlreiche Lebensmittel, Socken und Damenbinden verschwanden. Der Kreis der Verdächtigen war überschaubar, mit gerade einmal 74 Einwohnern ist die Region selbst für isländische Verhältnisse dünn besiedelt. Auch war bislang niemand als Dieb in Erscheinung getreten. Also dachte jeder an die jungen Ausländer.
Sie hatten es sich mit ihrem Zelt am Ende einer Strasse direkt am Meer neben einem Schwimmbad gemütlich gemacht, das von heissen Quellen gespeist wird. Als die Beamten eintrafen, gestanden die beiden die Tat. Sie wurden zum Supermarkt gebracht, wo sie sich entschuldigten und die entwendeten Waren im Wert von 350 Franken bezahlten.
«Wir sind nur wenige hier»
Später berichtete die Vorsitzende des Gemeinderates jedoch gegenüber «visir.is», das Paar habe weit mehr gestohlen, als zunächst bemerkt wurde. «Sie nahmen alles, was sie nehmen konnten.» Nach einem Festmahl im örtlichen Hotel hätten sie zudem versucht zu verschwinden, ohne die Rechnung zu zahlen. Daraufhin schritten die Behörden erneut ein. Sie brachten die Schweizer zum Verhör auf die Polizeistation, wo diese alle Vorwürfe gestanden. Gestern wurden die beiden zu zwei Monaten Haft auf Bewährung verurteilt.
Die Anwohner sind trotzdem weiter auf der Hut, denn Bonny und Clyde wollen noch bis mindestens September bleiben. Jeder verschliesst nun sein Auto und die Eingangstüren von Haus und Stall. «Wir sind nur wenige hier, und wir sind solche Sendungen aus der grossen weiten Welt nicht gewöhnt», klagt die Mangerin des bestohlenen Geschäftes gegenüber «viris.is». Es bereitet ihr Unbehagen, dass niemand weiss, was die beiden eigentlich wollen, denn für die Menschen vor Ort interessieren sich die Schweizer angeblich nicht. «Sie waren nur auf irgendeinem Trip in ihrer eigenen Welt.»
Jagen sie jetzt Tiere?
Inzwischen wird jedoch spekuliert, ob auch der Diebstahl einer jungen Robbe auf das Konto des Pärchens geht: Das Tierchen verschwand auf mysteriöse Weise aus einem Museum im Nachbarbezirk.