Rudy Giuliani verurteilt Angklage gegen Trump
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«Ich bin schwer enttäuscht»:Trumps Ex-Anwalt Rudy Giuliani schäumt vor Wut

Seine Wähler halten zu ihm
Ist Trump trotz Anklage politisch unantastbar?

45 Seiten lang ist die Anklageschrift gegen den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump. Es geht um Verschwörung und Machtmissbrauch. Trotzdem scheint er bei seinen Wählern unantastbar zu sein.
Publiziert: 02.08.2023 um 06:46 Uhr
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Aktualisiert: 02.08.2023 um 09:03 Uhr
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Donald Trump wird angeklagt.
Foto: AFP

Ein Präsident, der Teil einer Verschwörung ist – gegen den eigenen Staat und gegen den rechtmässigen Ablauf eines Machtwechsels. Genau dies wirft die US-Justiz dem 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten vor: Donald Trump. In einer beispiellosen Anklage, die alle bisherigen rechtlichen Vorwürfe gegen den Republikaner in den Schatten stellt. Und in einer Anklage, bei der es nicht nur für Trump ums Ganze geht, sondern auch für die amerikanische Demokratie.

Der 6. Januar 2021 war eine Zäsur für die USA: Eine Menge erstürmte das Kapitol in Washington, angepeitscht vom damals noch amtierenden Präsidenten Trump. Dessen Anhänger überrannten Absperrungen, zertrümmerten Scheiben, prügelten Polizisten nieder, verwüsteten das Kongressgebäude. Mehrere Menschen kamen ums Leben. Der Gewaltexzess war ein nie dagewesener Angriff auf das Herzstück der US-Demokratie. Der unverfrorene Versuch, das Ergebnis einer Wahl zu kippen. Und der Höhepunkt einer über Monate choreografierten Kampagne Trumps mit dem Ziel, die Präsidentenwahl 2020 als Betrug darzustellen und ihren Ausgang umzudrehen.

Erstmals solch schwere Vorwürfe

Gut zweieinhalb Jahre später folgt nun die nächste Zäsur für das Land: Der ehemalige Präsident und aktuelle republikanische Präsidentschaftsbewerber Trump wird wegen seines Feldzuges gegen den Wahlausgang und seiner Rolle bei der Kapitol-Attacke angeklagt. Die denkwürdige Anklageschrift listet auf 45 Seiten auf, wie Trump sich auf allen möglichen Wegen gegen seine Wahlniederlage stemmte, wie er eine Verschwörung mit sechs anderen Personen vorantrieb, das Justizministerium instrumentalisierte, Politiker im Bund und Bundesstaaten unter Druck setzte, darunter seinen Vize Mike Pence - alles mit dem Ziel, an der Macht zu bleiben. Dabei habe er genau gewusst, dass an seinen Wahlbetrugsbehauptungen nichts dran sei, argumentieren die Ankläger.

Derart schwerwiegende strafrechtliche Vorwürfe gegen einen Ex-US-Präsidenten gab es noch nie. Überhaupt musste sich nie zuvor in der US-Geschichte ein ehemaliger Präsident wegen einer mutmasslichen Straftat vor Gericht verantworten. Trump muss das nun gleich in mehreren Fällen. In New York wurde er im Frühling im Zusammenhang mit Schweigegeldzahlungen an einen Pornostar angeklagt. Im Juni folgte eine Anklage in Miami wegen der Aufbewahrung streng geheimer Regierungsunterlagen in seinem Privatanwesen nach dem Abschied aus dem Weissen Haus.

Bei der Anklage rund um die Wahl und die Kapitol-Attacke geht es nun erstmals um mutmassliche Straftaten während Trumps Amtszeit. Und es geht um die Grundfesten der amerikanischen Verfassung: Darf ein amtierender Präsident Lügen über eine Wahl verbreiten, darf er versuchen, den Wählerwillen umzukehren, und dafür seinen Regierungsapparat einsetzen? All das war bereits Gegenstand eines Amtsenthebungsverfahrens gegen Trump, das er dank der Mehrheit seiner Republikaner im Senat ohne Verurteilung überstand. Es war auch Gegenstand eines Untersuchungsausschusses im Kongress, der für Trump ebenso folgenlos blieb. Dass er sich deswegen nun vor Gericht verantworten muss, hat jedoch eine neue Dimension.

Politisch kaum Schaden

Sollte Trump die Anklage unbeschadet überstehen, könnten Radikale das als Freibrief verstehen, ein unliebsames Wahlergebnis einfach nicht zu akzeptieren und einen friedlichen Amtswechsel zu behindern. Sollte Trump verurteilt werden, könnte das wiederum enorme gesellschaftliche Verwerfungen in einem ohnehin politisch tief gespaltenen Land auslösen. Eine Entscheidung darüber ist aber weit entfernt. Trumps Anwälte dürften versuchen, das Verfahren möglichst lange hinauszuzögern. Ob es bis zur Präsidentenwahl Anfang November 2024 ein rechtskräftiges Urteil in diesem Fall geben wird, ist fraglich. Antreten dürfte Trump bei der Wahl nach Einschätzung von Rechtsexperten im Übrigen auch als verurteilter Straftäter.

Klar ist aber bereits, dass das Wahljahr 2024 eines wird wie kein anderes: Dadurch dass der - bislang führende - republikanische Präsidentschaftsbewerber den gesamten Wahlkampf über parallel mehrere Gerichtsverfahren zu bestreiten haben wird.

Erstaunlich ist, dass Trump der wachsende Berg an juristischen Problemen politisch überhaupt nicht schadet. Im Gegenteil. Die «New York Times» veröffentlichte erst vor wenigen Tagen eine Umfrage, wonach Trump 54 Prozent der republikanischen Wähler hinter sich hat - mehr als alle anderen Präsidentschaftsbewerber seiner Partei zusammen. Selbst Floridas Gouverneur Ron DeSantis, Trumps grösster parteiinterner Konkurrent, liegt dramatisch abgeschlagen hinter ihm. Alle anderen dümpeln im einstelligen Bereich. Die neue Anklage dürfte diesen längeren Trend nicht so schnell umkehren - egal wie gewichtig die Vorwürfe darin sind.

Trump hält Basis bei Stange

Die meisten Anschuldigungen gegen Trump zur Wahl wurden bereits im Amtsenthebungsverfahren und im Untersuchungsausschuss öffentlich ausgebreitet: ausgestrahlt im Fernsehen zur besten Sendezeit, angereichert mit eindrücklichen Videos und bemerkenswerten Zeugenaussagen. All das hat Trumps Basis nicht dazu gebracht, sich von ihm abzuwenden. Seine hart gesottenen Anhänger stört auch nicht, dass er Staatsgeheimnisse in einem Badezimmer aufbewahrt hat.

Und wie schon bei seiner lang angelegten Kampagne zum angeblichen Wahlbetrug hat Trump bereits vor Monaten damit begonnen, seiner Basis einzuflüstern, dass sie Ermittlern und Anklägern nicht trauen dürfen. All das sei nichts als der politisch motivierte Versuch, ihn von der Rückkehr an die Macht abzuhalten. Viele Anhänger wiederholen das brav. Nach den vorherigen zwei Anklagen gingen Trumps Umfragewerte nach oben, ebenso wie die Spendeneinnahmen seiner Wahlkampagne.

Laut der jüngsten Umfrage der «New York Times» sind 37 Prozent der republikanischen Wählerschaft Hardcore-Trump-Anhänger, die ihm gegenüber extrem loyal sind, sich durch nichts abschrecken lassen und rein gar nichts von den strafrechtlichen Ermittlungen gegen ihn halten. Hinzu kommen demnach weitere 37 Prozent des republikanischen Wählerpools, die offen dafür sind, Trump zu wählen. Für seine parteiinternen Konkurrenten ist es daher sehr schwierig, ihn zu schlagen. Daran dürfte auch die neue Anklage vorerst nichts ändern. (SDA)

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