Eine Minute der Stille. Danach schlägt die Glocke im Turm des Alten Rathauses am Mannheimer Marktplatz einmal. Menschen fangen an zu klatschen, erst zögerlich, dann stärker.
Die Mutter des getöteten Polizisten Rouven L.* (†29) bricht in Tränen aus. Sie steht mit ihrem Mann und weiteren Angehörigen neben Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (68), Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und Innenminister Thomas Strobl (CDU).
Gemeinsam mit mehr als 1500 Menschen haben sie am Freitag um 11.34 Uhr auf dem Platz des getöteten Beamten gedacht, der hier vor einer Woche von einem 25-jährigen Afghanen niedergestochen wurde. Im ganzen Land erinnern zu diesem Zeitpunkt Polizisten an den im Dienst tödlich verletzten 29-Jährigen.
Steinmeier: Messerangriff war «blutiger Terrorakt»
Später bezeichnet Steinmeier den Messerangriff nach einem Gespräch mit Polizeibeamten und Angehörigen von Rouven L-* als «blutigen Terrorakt». Der Täter habe offenbar aus einem politischen, mutmasslich islamistischen Hintergrund gehandelt.
Man habe in den vergangenen Wochen mit Angriffen auf Bürgermeister, Minister, Abgeordnete und Ehrenamtliche weitere «abscheuliche Akte politisch motivierter Gewalt erlebt», sagt Steinmeier. «Wir, die Demokratinnen und Demokraten dieses Landes, dürfen und werden uns an Gewalt in der politischen Auseinandersetzung niemals gewöhnen.» Die Gewalt müsse aufhören, fordert der Bundespräsident.
Viele Menschen legen am Freitag noch Blumen am Tatort nieder. Die Stimmung in der 300'000-Einwohner-Stadt im Nordwesten Baden-Württembergs gilt als sehr angespannt.
Eskaliert die Situation am Freitag?
Sorgen bereitet der Stadt eine Woche nach der Tat auch für den Nachmittag und Abend geplante Demonstrationen, wie Oberbürgermeister Christian Specht (CDU) sagt. Unter anderem wollte die rechtspopulistische AfD um 18 Uhr auf dem Marktplatz gegen Islamismus demonstrieren. Zeitgleich soll eine Gegendemonstration der Antifa stattfinden. Specht sagt, man habe bereits am Sonntag Erfahrungen mit beiden Gruppen gemacht. «Da war es sehr schwer, die Gruppen auseinanderzuhalten und die Situation friedlich zu halten.»
Ob die AfD tatsächlich auf dem Marktplatz demonstrieren darf, war zunächst noch unklar. Am Donnerstag gab das Verwaltungsgericht Karlsruhe einem Eilantrag der AfD gegen eine Allgemeinverfügung der Stadt statt, wonach Veranstaltungen wie Demonstrationen auf dem Marktplatz derzeit verboten sind. Die Stadt hatte am Dienstag den Marktplatz vorläufig zum Gedenkort für den toten Polizisten erklärt und Kundgebungen verboten. Sie legte Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts ein. Die Stadt sieht für die Demo den nahe gelegenen Paradeplatz vor.
«Wir wollen zwei Tage vor der Europawahl genau dort demonstrieren, wo der islamistische Terror zugeschlagen hat, um ein klares politisches Signal in die ganze Republik zu senden», hatte der AfD-Landesvorsitzende Markus Frohnmaier mitgeteilt.
*Name bekannt