Eine «Verarschung» nannte die Zeitung «Standard» seine Berufung zum Integrationsstaatssekretär der österreichischen Regierung, als «Superpraktikant» verspottete ihn der Wiener «Falter». Auf der Strasse spuckte man ihn an. 2011, mit 24 Jahren, begann Sebastian Kurz' steile Politkarriere in der konservativen Österreichischen Volkspartei (ÖVP) recht holprig.
Das halbe Land amüsierte sich über den «Milchbubi», den schnöseligen «Wunderwuzzi» mit den gegelten Haaren, dem rosa Gesicht und den Segelohren. Unvergessen, wie er während des Wiener Wahlkampfs 2010 vor einem Nachtclub auf der Kühlerhaube eines schwarzen Hummer-Geländewagens posierte, dem Geil-o-Mobil der Jungen Volkspartei (JVP). Ein peinlicher Start.
Doch Kurz, heute 30, war die Aufmerksamkeit gewiss. Sein Förderer, der ehemalige Vizekanzler Michael Spindelegger (58), holte ihn ins Innenministerium.
Er kann gut zuhören
Seither hat Kurz alle überrascht. Geprägt von den negativen Schlagzeilen, verschrieb er sich mit Eifer der Perfektion. Schnell merkte er, dass er sich den Respekt erst verdienen muss. Es gelang ihm durch harte Arbeit, seine Eloquenz und das Talent zuzuhören und selbständig zu entscheiden. Und den Mut, etwas zu verändern.
Sein erster Coup gelang ihm mit dem Motto «Integration durch Leistung», er baute Deutschkurse für Asylbewerber aus, reformierte das Gesetz zur Erlangung der Staatsbürgerschaft. 2013 wurde er mit 27 Jahren der jüngste Aussenminister Europas.
Dem eher verschlossenen Aussenministerium des neutralen Österreichs verlieh er neue Relevanz. Unter Kurz wurde Wien wieder zum Treffpunkt der internationalen Diplomatie: Die Stadt war Tagungsort der Verhandlungen zum Atomdeal mit dem Iran, des Ukraine-Gipfels, der Syrien-Gespräche.
Gegen innen tritt Kurz immer noch als «der Sebastian» auf, der seine Mitarbeiter von Beginn an duzt. Er verordnete ihnen, in der Economy-Klasse zu fliegen. Der Sohn eines Ingenieurs und einer Lehrerin gibt sich bescheiden. Nach wie vor wohnt er im Wiener Arbeiterviertel Meidling, wo er aufwuchs.
Von Menschenrechtsorganisationen hart kritisiert
Doch hinter dem freundlichen Gesicht tritt vermehrt Härte hervor. Während der Flüchtlingskrise bekam Kurz den Ruf als Hardliner. Er machte sich für die Obergrenze bei der Aufnahme von Flüchtlingen stark. Die von ihm einberufene Westbalkankonferenz führte zur Schliessung der Balkanroute. «Es wird ohne hässliche Bilder nicht gehen», sagte Kurz in der ARD-Talkshow «Anne Will». Die linke Presse nannte ihn «Prinz Eisenherz».
Jüngst lobte er die australische Praxis, Asylsuchende auf Inseln zu internieren, und schlug vor, das Gleiche im Mittelmeer zu tun. Nun also das Verbot von Burkas und Koranverteilungen, welches Kurz bereits vor einem Jahr im Integrationsgesetz vorschlug.
Dass er dafür von Menschenrechtsorganisationen hart kritisiert wird, nimmt er in Kauf. Kurz, der einst Muslime gegen eine pauschale Verurteilung als Terroristen verteidigte, versucht fast krampfhaft, sich als Hardliner von seinem Chef abzugrenzen, dem smarten Bundeskanzler und SPÖ-Vorsitzenden Christian Kern (51). Kurz gilt als grösste Hoffnung der ÖVP auf das Kanzleramt. Darum fischt er vermehrt im Teich der Rechten. Es scheint, als habe er es auf dem Weg nach oben eilig.