Schwere Vorwürfe nach Germanwings-Drama
Lufthansa streitet Meldepflicht-Verletzung ab

Nach dem Absturz des Germanwings-Airbusses über Südfrankreich gerät die Lufthansa in Erklärungsnot. Das deutsche Luftfahrtbundesamt wusste nichts von der Depression des Co-Piloten – obwohl eine Meldepflicht bestand.
Publiziert: 06.04.2015 um 22:39 Uhr
|
Aktualisiert: 04.10.2018 um 23:17 Uhr
Lufthansa-Chef gedenkt den Opfern
2:19
Am Unglücksort:Lufthansa-Chef gedenkt den Opfern

Carsten Spohr war der Schock anzumerken, als er zwei Tage nach dem Absturz der Germanwings-Maschine über den südfranzösischen Alpen vor die Medien trat. Als es jedoch um die gesundheitliche Verfassung des Co-Piloten ging, der – wie man zu diesem Zeitpunkt eben erst erfahren hatte – die Maschine absichtlich in die Felswand steuerte, sprach der Lufthansa-Boss mit ausserordentlich fester Stimme. Andreas Lubitz (†27) sei «100 Prozent flugtauglich» gewesen, «ohne jede Auffälligkeit».

Nun, über zwei Wochen nach dem Drama ist klar: Was Spohr damals sagte, stimmt so nicht. Neue Berichte rücken die deutsche Fluggesellschaft zudem zunehmend in ein schiefes Licht. So soll die Airline die Meldepflichten im Fall des Todes-Piloten die Meldepflicht verletzt haben. Das deutsche Luftfahrtbundesamt (LBA), das für die Vergabe von Lizenzen für das Flugpersonal zuständige Behörde, bestätigt einen entsprechenden Bericht der «Welt am Sonntag».

Lubitz hatte die Lufthansa nach einem mehrmonatigen Unterbruch der Ausbildung über eine «abgeklungene schwere depressive Episode» informiert. Der Pilotenanwärter habe in der Folge erneut einen Eignungstest absolvieren müssen, zudem sei ein psychiatrisches Gutachten in Auftrag gegeben worden. Lubitz bekam schliesslich die Lizenz, allerdings mit dem sogenannten SIC-Vermerk. «SIC» steht für «specific regular medical examination(s)» und bedeutet, dass der Betroffene regelmässig von einem Arzt begutachtet werden – und der Lizenzgeber darüber informiert werden muss. Im Tauglichkeitszeugnis stand dieser Vermerk laut «Welt am Sonntag»-Recherchen zwar nicht. Wohl aber ein ähnlicher Eintrag, der die selbe Bedeutung hatte.

Luftfahrtbundesamt wusste von nichts

Die Lufthansa soll der Meldepflicht nicht nachgekommen sein, schreibt die Zeitung. Und das Luftfahrtbundesamt bestätigt: «Es trifft nicht zu, dass das Luftfahrtbundesamt über die medizinischen Hintergründe im Fall L. unterrichtet war.» Erst am 27. März habe man Informationen «über die medizinischen Hintergründe» des Co-Piloten erhalten. Das Aeromedical Center der Lufthansa «hat das LBA über die abgeklungene schwere Depressionsphase nicht informiert.»

Dabei besteht seit 2013 in Deutschland für Fliegerärzte die Pflicht, die Lizenz-Behörde über schwere Krankheiten – dazu gehört laut «Welt am Sonntag» auch eine Depression – zu informieren. Es könne zwar sein, dass die Ärzte Lubitz' als geheilt betrachteten und deshalb keine Meldung erstatteten. Doch mindestens der SIC-Eintrag hätte, so die Argumentation der «Welt am Sonntag», eine Meldung zur Folge haben müssen.

Die Lufthansa streitet ab, Meldepflichten verletzt zu haben. «Lufthansa kommt ihren Informationspflichten gegenüber dem Luftfahrtbundesamt nach», hiess es in einer heute veröffentlichten Stellungnahme. Weiter äusserst man sich allerdings nicht zum Fall. Man wolle «den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Düsseldorf nicht vorgreifen». (lha)

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?