Schwennicke prophezeit Ende der Ära Merkel
Ihre Tage als Kanzlerin sind gezählt

«Cicero»-Chefredaktor Christoph Schwennicke begleitet seit Jahren die Politik und Amtsführung der Bundeskanzlerin. Er prophezeit ein schnelles Ende der Ära Merkel.
Publiziert: 30.10.2018 um 01:33 Uhr
|
Aktualisiert: 30.10.2018 um 06:50 Uhr
1/47
Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel (64) am CDU-Parteitag in Berlin. Am 29. Oktober 2018 gab sie hier bekannt, nicht mehr für den Parteivorsitz zu kandidieren.
Foto: Keystone
Christoph Schwennicke
Christoph Schwennicke, «Cicero»-Chefredaktor.
Foto: zvg

Sie wollte es immer anders machen: selbstbestimmt gehen – und nun kommt es doch so, wie es immer kommt, wenn Patriarchen oder Matriarchen zu lange an der Macht festhalten. Ihre eigene Partei hat ihr erst die Fraktion entrungen, indem sie nicht mehr Merkels Vasallen Volker Kauder zur ihrem Vorsitzenden machte, sondern den bis dahin weithin unbekannten Ralph Brinkhaus. Nun, nach Merkels Waterloo in Hessen drängen sie ihre Gegner auch dazu, den Parteivorsitz aufzugeben. Dass sie so tut, als geschehe das aus freien Stücken ist ein Versuch, die Offensichtlichkeit ihres Machtverlustes zu kaschieren.

Sie hat das Land gespalten

Angela Merkel hat vor drei Jahren in der Flüchtlingskrise einen Fehler gemacht, der beispiellos ist in der Geschichte der deutschen Kanzler. Die bedingungslose und unkontrollierte Aufgabe der Grenzen hat die CDU gespalten, hat Deutschland gespalten, hat Europa gespalten. An den Folgen dieses Vorgangs werden alle drei, die CDU, Deutschland und Europa, noch lange zu tragen haben.

Angela Merkel hört als Kanzlerin auf
1:13
Konsequenz nach Wahlschlappe:Angela Merkel hört als Kanzlerin auf

Aber die CDU hat nun das politische Ende der Angela Merkel eingeläutet. Die Partei hat erkannt, dass ihr Merkel nicht mehr guttut, sondern massiv schadet. Weil die Folgen ihres Fehlers immer sichtbarer wurden, glich die Bundestagswahl vor einem Jahr schon einer faktischen Abwahl. Stur und starrsinnig hielt sie aber an der verlorenen Macht fest, hangelte sich über quälende Monate in eine ebenso quälende abermalige Grosse Koalition. Hessen hat diese Qualen beendet, und das ist gut: Gut für die CDU, gut für Deutschland und gut für Europa.

Letzte Neujahrsansprache

Was bedeutet Merkels halbe Machtabgabe für ihre Kanzlerschaft? Deren absehbares Ende. Möglicherweise hält sie noch eine Neujahrsansprache als Kanzlerin. Aber es wird die letzte sein.

Es widerspricht den politischen Gesetzmässigkeiten, dass sich jemand nach dem Verzicht auf diese Machtposition des Parteivorsitzes noch lange im Amt halten kann. Deshalb hat Merkel im Übrigen auch immer verfügt, dass in ihren Augen beides zwingend und unteilbar zusammengehört.

Merkel bei Ende der Legislatur keine Kanzlerin mehr

Es gibt ein gutes Beispiel dafür, dass die Tage eines Kanzlers gezählt sind, wenn er den Parteivorsitz abgibt. Ihr Vorgänger als Bundeskanzler, Gerhard Schröder, hatte auch in einem Augenblick höchster Not den Parteivorsitz im Zuge des SPD-Streits um die Agenda 2010 abgegeben – angeblich, um seine Kanzlerschaft zu stabilisieren. Schröder hat bekanntlich das reguläre Ende seiner zweiten Amtszeit nicht mehr erlebt, flüchtete sich in vorzeitige Neuwahlen und verlor. Auch Angela Merkel wird nach diesem historischen Montag in Berlin das reguläre Ende dieser Legislaturperiode nicht mehr als Kanzlerin erleben.

Christoph Schwennicke (52) ist seit 2012 Chefredaktor der Monatszeitschrift  «Cicero – Magazin für politische Kultur». Er arbeitete unter anderem als London-Korrespondent für die «Süddeutsche Zeitung» und war stellvertretender Leiter des «Spiegel»-Hauptstadtbüros in Berlin.

Von Kohls Mädchen zur mächtigsten Frau der Welt

Am Anfang ihrer politischen Karriere nannte man Angela Merkel (64) nur «Kohls Mädchen». ­Damals glaubten viele an ein kurzes ­Polit-Intermezzo der 36-jährigen ­Physikerin aus Ostdeutschland. Gerade mal 14 Jahre später wurde das belächelte «Mädchen» vom renommierten «Forbes»-Magazin zur mächtigsten Frau der Welt gekürt. Dazwischen lag ein beispielloser politischer Aufstieg.

Es begann mit dem Fall der Berliner Mauer. Unter Kanzler Helmut Kohl († 87) wurde Merkel 1991 «Bundes­ministerin für Frauen und Jugend» – ein Amt, das nicht viel Prestige mit sich brachte. Auch war die Ex-DDR-Bürgerin nicht mit der Politik im Westen vertraut.

Trotzdem steigt Merkel fast unbemerkt Schritt für Schritt auf. 1994 wird sie Umweltministerin und 1998, als Kohl abgewählt wird, Generalsekre­tärin der CDU. 1999 bekommt Angela Merkel einen neuen Spitznamen: «Vatermörderin». Als die CDU von einem Spendenskandal erschüttert wird, stellt sie sich gegen ihren Ziehvater Kohl – ein Skandal. Doch die Basis ist auf ­ihrer Seite. Und macht sie zur Parteichefin.

Es ist das Sprungbrett, um 2005 gegen Kanzler Gerhard Schröder (74) anzutreten. Die kühle ­Rechnerin besiegte das emotionsgeladene Alphamännchen klar – und wird die erste Frau an der Spitze Deutschlands. Die ewig unterschätzte Merkel wird «Mutti der Nation».

Lange Jahre ziemlich unbestritten, markiert 2015 ein Satz den Abstieg der Kanzlerin: «Wir schaffen das.» Als die flüchtlingsfreundliche Stimmung langsam umschlägt, ist das Feindbild gefunden: «Mutti».

Bei den Wahlen 2017 wurde die Merkel-Partei von den Wählern erstmals ­abgestraft. Bei den Landtagswahlen in Bayern und Hessen gab es vom Wähler richtige Klatschen.

Nun reagierte Merkel – und zog die Konsequenzen.

Am Anfang ihrer politischen Karriere nannte man Angela Merkel (64) nur «Kohls Mädchen». ­Damals glaubten viele an ein kurzes ­Polit-Intermezzo der 36-jährigen ­Physikerin aus Ostdeutschland. Gerade mal 14 Jahre später wurde das belächelte «Mädchen» vom renommierten «Forbes»-Magazin zur mächtigsten Frau der Welt gekürt. Dazwischen lag ein beispielloser politischer Aufstieg.

Es begann mit dem Fall der Berliner Mauer. Unter Kanzler Helmut Kohl († 87) wurde Merkel 1991 «Bundes­ministerin für Frauen und Jugend» – ein Amt, das nicht viel Prestige mit sich brachte. Auch war die Ex-DDR-Bürgerin nicht mit der Politik im Westen vertraut.

Trotzdem steigt Merkel fast unbemerkt Schritt für Schritt auf. 1994 wird sie Umweltministerin und 1998, als Kohl abgewählt wird, Generalsekre­tärin der CDU. 1999 bekommt Angela Merkel einen neuen Spitznamen: «Vatermörderin». Als die CDU von einem Spendenskandal erschüttert wird, stellt sie sich gegen ihren Ziehvater Kohl – ein Skandal. Doch die Basis ist auf ­ihrer Seite. Und macht sie zur Parteichefin.

Es ist das Sprungbrett, um 2005 gegen Kanzler Gerhard Schröder (74) anzutreten. Die kühle ­Rechnerin besiegte das emotionsgeladene Alphamännchen klar – und wird die erste Frau an der Spitze Deutschlands. Die ewig unterschätzte Merkel wird «Mutti der Nation».

Lange Jahre ziemlich unbestritten, markiert 2015 ein Satz den Abstieg der Kanzlerin: «Wir schaffen das.» Als die flüchtlingsfreundliche Stimmung langsam umschlägt, ist das Feindbild gefunden: «Mutti».

Bei den Wahlen 2017 wurde die Merkel-Partei von den Wählern erstmals ­abgestraft. Bei den Landtagswahlen in Bayern und Hessen gab es vom Wähler richtige Klatschen.

Nun reagierte Merkel – und zog die Konsequenzen.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?