Schweizer Ex-Botschafter verteidigt Venezuelas Präsidenten
«Maduros Wahl war fair»

Der Schweizer Ex-Botschafter Walter Suter war für die Schweiz in Venezuela. Er findet: Die Sanktionen haben das Land kaputt gemacht.
Publiziert: 04.05.2019 um 23:42 Uhr
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Aktualisiert: 06.05.2019 um 16:58 Uhr
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Der ehemalige Schweizer Botschafter Walter Suter verteidigt das sozialistische Regime in Venezuela.
Foto: Thomas Meier
Interview: Fabienne Kinzelmann

Bern, Siedlung «Murifeld». Hier wohnt der ehemalige Schweizer Botschafter Walter Suter (76). Das Quartier gilt als linkes Widerstandsnest. Das passt zu dem Mann, der vier Jahre für die Schweiz in Venezuela war und eine Sicht auf dessen Probleme hat, die quer zu den gängigen Ansichten der meisten westlichen Staaten steht. Die Wirtschaft des Landes, an dem Suters Herz noch immer hängt, liegt am Boden. Im Land mit den grössten Ölreserven der Welt leben heute mehr als 80 Prozent der Menschen in Armut.

Als Sie 2003 Ihren Botschafterposten in Caracas antraten, ging es Venezuela gut.
Walter Suter: Es begann, besser zu werden. Venezuela galt als Saudi-Arabien von Südamerika. Der Erdölpreis begann zu steigen. Gut ging es bis Ende der 90er nur etwa 25 Prozent der Menschen. Die längerfristige Umverteilung des Wohlstands war ein ganz wichtiges Anliegen von Chávez.

War das richtig?
Zumindest ein gigantischer Versuch. Die Basis dafür war die «bolivarische» Verfassung von 1999 – die das Volk übrigens per Referendum angenommen hat. Als Erstes wollte die Regierung Bildung und Gesundheitsversorgung für alle. Die Kosten dafür hat Chávez in Kauf genommen, um die soziale Ungleichheit zu beheben. Da hat man zwischen 2003 und 2010 viel erreicht, die Armutsquote fiel von 30, 40 Prozent auf 20.

Heute sind wir bei fast 90 Prozent.
Die Zahl scheint mir zu hoch gegriffen. Und jetzt ist natürlich eine Notsituation entstanden, weil der Ölpreis 2014 einbrach.

Wofür steht Chávez?
Er hat den Leuten Hoffnung auf eine bessere Zukunft gebracht. Zum Beispiel hat er dafür gesorgt, dass Millionen unregistrierter Venezolaner Papiere bekommen. Diese wurden so zu vollwertigen Bürgern mit allen Rechten. Durch die Schaffung von basisdemokratischen Gemeinderäten haben auch alle Bürger eine Stimme erhalten. Dort hat Chávez was Grosses erreicht. Das ist rückblickend etwas untergegangen.

War es ein politischer Fehler, dass er sich vor seinem Tod für Maduro ausgesprochen hat?
Das glaube ich nicht. Ganz viele Umstände sind sehr schwierig gewesen für den Nachfolger. Aber alle, Maduro eingeschlossen, wollten Chávez’ soziales Projekt weiterführen. Nach dem Erdölpreissturz wurde es zusätzlich problematisch, als die USA 2017 begannen, harte Wirtschafts- und Finanzsanktionen umzusetzen.

Für Sie waren die Sanktionen der Anfang vom Ende.
Venezuela hat die Einkommenseinbussen aus dem Erdölexport und kann zusätzlich kaum noch Kredite aufnehmen oder handeln. Das führt zu einer Unterversorgung. Und dann die Hyperinflation: Es gibt diese amerikanische Webseite, DolarToday, die den Schwarzmarkt-Wechselkurs für Dollar festlegt. Das hat die lokalen Preise bestimmt – auch, als der Kurs immer schneller fiel. (Anm. d. Red. Das Unternehmen berechnet täglich den Wechselkurs des Venezolanischen Bolívar in Euro oder US-Dollar. Die Berechnung orientiert sich an den Handelsgebühren in Cúcuta, Kolumbien, einer Stadt nahe der Grenze zu Venezuela.)

Was hat die Regierung dagegen unternommen?
Sie hat begonnen, den Mindestlohn anzupassen und sich aus dem Dollar zu befreien. Sie hat die Kryptowährung Petro eingeführt und begonnen, im internationalen Zahlungsverkehr auf den chinesischen Yuan zu setzen. 

Auf der einen Seite gibt es die Wirtschaftskrise, auf der anderen Seite sehen wir auch eine Krise der Demokratie in Venezuela.
Das ist nicht richtig. Das Wahlverfahren ist seit 2003 das gleiche. Der lateinamerikanische Wahlexpertenrat Ceela stellt sicher, dass die Ansetzung des Urnengangs verfassungsmässig ist. Das Wahlverfahren ist automatisiert und von Beobachtermissionen hundertfach kontrolliert worden. Die Resultate sind wasserdicht. Ich selber habe zwischen 2008 und 2018 sieben Mal als Wahlbeobachter teilgenommen.

Dem Maduro-Regime wird bei der Wahl 2018 Einflussnahme vorgeworfen: Parteistände vor den Wahlbüros, Geldgeschenke für Wähler, sichtbare Schlägertrupps ...
Diese Vorwürfe sind weitgehend haltlos. Die verschiedenen, auf das ganze Land verteilten Wahlbeobachtergruppen haben keine unerlaubte oder gar systematische Einflussnahme auf die Wähler festgestellt.

Und das Endergebnis zu verfälschen?
Das verhindert das automatisierte Wahlverfahren. Maduro ist letztes Jahr in einem fairen Verfahren gewählt worden.

Wie finden Sie es denn, dass die Schweiz die USA künftig in Venezuela vertritt?
Ich möchte nichts kommentieren, was unsere Regierung aussenpolitisch entscheidet. Aber es ist ungewöhnlich, dass die Schweiz die Übernahme des Schutzmandats publik macht, bevor die Zustimmung von Venezuela da ist. Schliesslich ist man Vermittler von zwei Parteien.

Wer gewinnt den Kampf um Venezuela?
Maduro sitzt offensichtlich fest im Sattel. Dies gilt, solange die Streitkräfte hinter ihm stehen und er weiterhin das Vertrauen der sechs Millionen PSUV-Wähler geniesst. Eine entscheidende Änderung wäre nur eine echte Spaltung in der Armee – aber danach sieht es nicht aus. Da bleibt es eine Pattsituation.

Ihr Lösungsvorschlag?
Die USA müssten ihre Sanktionen sofort aufheben und dann mit Unterstützung und Vermittlung der internationalen Gemeinschaft (UNO) Gespräche zwischen den Kontrahenten einleiten. Mexiko und Uruguay haben einen Vier-Phasen-Mechanismus angeregt, der von Staatschef Maduro begrüsst wird: Dialog aller politischen Lager, Verhandlungsphase, ein Abkommen, Umsetzung. Meiner Meinung nach müsste der Verhandlungsprozess in vorgezogenen Parlamentswahlen münden. Die wären regulär ohnehin für Ende 2020 vorgesehen.

Der Botschafter vor Ort

Walter Suter (76) ist ein Mann der Transitionen: Wann immer es irgendwo einen politischen Umbruch gab, war er für die Schweiz als Botschafter vor Ort. Als ehemaliger Mitarbeiter des diplomatischen Dienstes des EDA kennt er unter anderem das China der Kulturrevolution, den Libanon im Wiederaufbau und das sich seit 1970 im Wandel befindende Südamerika. Von September 2003 bis August 2007 war er offizieller Vertreter der Schweiz in Venezuela und blieb dem Land auch nach der Pensionierung eng verbunden.

Walter Suter (76) ist ein Mann der Transitionen: Wann immer es irgendwo einen politischen Umbruch gab, war er für die Schweiz als Botschafter vor Ort. Als ehemaliger Mitarbeiter des diplomatischen Dienstes des EDA kennt er unter anderem das China der Kulturrevolution, den Libanon im Wiederaufbau und das sich seit 1970 im Wandel befindende Südamerika. Von September 2003 bis August 2007 war er offizieller Vertreter der Schweiz in Venezuela und blieb dem Land auch nach der Pensionierung eng verbunden.

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