Schweizer erzählen vom Leben im Emirat
«Die Bürokratie in Katar ist riesig, die Gastfreundschaft toll»

Über 200 Schweizerinnen und Schweizer leben in Katar. Drei von ihnen erzählen Blick, wie es ist, im Emirat zu leben und zu arbeiten.
Publiziert: 31.10.2022 um 01:13 Uhr
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Aktualisiert: 31.10.2022 um 13:14 Uhr
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Die Schweizer Stefan Spichtig (44, l.) und Reto Welti (42) leben und arbeiten in Katar.
Foto: Blick
Ramona Schelbert, Tobias Ochsenbein

Stefan Spichtig (44) sitzt in der Hotellobby des Hotels The Torch in Doha. Der Blick des gebürtigen Zentralschweizers ist sanft, seine Gestik kontrolliert, seine Stimme angenehm. Er erzählt eine Anekdote nach der anderen. Zum Beispiel diese hier:

«Ich habe in Katar mit Leuten zusammengearbeitet, die mir erzählt haben: ‹Stefan, ich habe früher im Zelt gelebt, jetzt fahre ich mit dem Toyota Land Cruiser ins Büro.›»

Oder diese: «Ich führe mit katarischen Kollegen ständig Diskussionen darüber, ob man gewisse Dinge tut oder nicht. Zum Beispiel frage ich sie jeweils: ‹Warum räumst du deinen Dreck nicht selber auf?› Die Antwort lautet dann: ‹Weil ich sonst jemand anderem die Arbeit wegnehme.›»

Neben ihm sitzt Reto Welti (42), er schweigt die meiste Zeit und hört zu.

Blick in Katar

In drei Wochen wird in Katar die Fussball-Weltmeisterschaft angepfiffen. Erstmals findet das wichtigste Fussballturnier im Winter statt – und in einem arabischen Land. Einem Land, das zwei Gesichter hat, der Welt aber nur eines davon zeigen will: glitzernde Wolkenkratzer-Fassaden, Wohlstand, Fortschrittlichkeit. Wer hinter diese Fassaden blickt, sieht weniger Beeindruckendes: Hunderttausende Arbeitsmigranten, Menschenrechtsverletzungen, totale Überwachung. Blick-TV-Reporterin Ramona Schelbert und Blick-Reporter Tobias Ochsenbein berichten daher diese Woche über den Wüstenstaat, auf den bald die ganze Welt schaut.

Reporter Ramona Schelbert und Tobias Ochsenbein.

In drei Wochen wird in Katar die Fussball-Weltmeisterschaft angepfiffen. Erstmals findet das wichtigste Fussballturnier im Winter statt – und in einem arabischen Land. Einem Land, das zwei Gesichter hat, der Welt aber nur eines davon zeigen will: glitzernde Wolkenkratzer-Fassaden, Wohlstand, Fortschrittlichkeit. Wer hinter diese Fassaden blickt, sieht weniger Beeindruckendes: Hunderttausende Arbeitsmigranten, Menschenrechtsverletzungen, totale Überwachung. Blick-TV-Reporterin Ramona Schelbert und Blick-Reporter Tobias Ochsenbein berichten daher diese Woche über den Wüstenstaat, auf den bald die ganze Welt schaut.

Vertrauen ist wichtig

Spichtig und Welti arbeiten für eine Schweizer Firma in Katar. Spichtig lebt mit seiner Familie seit fünfeinhalb Jahren in Doha, Welti seit zwei. Sie kennen die katarische Kultur – mit all ihren Unannehmlichkeiten und Vorzügen.

Was die beiden in Katar vor Herausforderungen stellt: der Verwaltungsapparat. «Die Bürokratie ist riesig, Entscheidungsprozesse brauchen Zeit und sind eine grosse Herausforderung. Geduld ist der Schlüssel zu fast allem hier», sagen sie. Wovon sie hingegen schwärmen: der katarischen Gastfreundschaft. Und auch davon, dass der politische und gesellschaftliche Fortschritt in Katar gedeiht.

Vertrauen aufzubauen sei wichtig, erklärt Spichtig. «Du musst viel in eine Beziehung investieren. Gemeinsamkeiten finden, dich über ähnliche Interessen auszutauschen.»

«Habe alle Möglichkeiten und Freiheiten»

Auch Fadia Wilson (39) ist nach Katar ausgewandert. Die gebürtige Bernerin ist wegen ihrer Familie hierhergezogen, ihr Mann führt ein Bauunternehmen. Wilson hat bereits von 2008 bis 2018 in der katarischen Hauptstadt gelebt und ist – nach drei Jahren Unterbruch in der Schweiz – Anfang dieses Jahres zurückgekehrt. Auch sie lebt gerne hier.

Wilson sitzt aufrecht in einem grossen Sessel und wählt ihre Worte mit Bedacht. Sie sagt: «Katar ist ein Schmelztiegel. Fast nirgends sonst habe ich so viele verschiedene Leute kennengelernt. Das Neben- und Miteinander der Kulturen funktioniert hier ausserordentlich gut – besser als in der Schweiz.» Was sie hingegen aus der Heimat vermisst: die Landschaft, das Wetter, der Wechsel der Jahreszeiten.

Mit der westlichen Kritik an Katar wegen der Menschenrechte geht die Mutter dreier Kinder gelassen um. Sie sagt: «Als Frau hier habe ich alle Möglichkeiten und Freiheiten. Ich bin überhaupt nicht eingeschränkt. Und: Ich bin ja auch wieder hierher zurückgekehrt, das will was heissen.»

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