Schweizer Aussenpolitiker zur Krise in Deutschland
«Merkels Ende hat begonnen»

Schweizer Aussenpolitiker sind besorgt über das Ende der deutschen Koalitionsgespräche. Sie sehen den nördlichen Nachbarn der Schweiz in einer tiefen politischen Krise.
Publiziert: 20.11.2017 um 15:10 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 19:24 Uhr
Bald ausregiert? Bundeskanzlerin Angela Merkel nach dem Sondierungsgespräch zwischen CDU/CSU und den Grünen nach der Bundestagswahl 2013 in ihrem Wagen.
Foto: Imago
Sermîn Faki

Schweizer Aussenpolitiker betrachten die Krise in Deutschland mit grosser Sorge. «Das ist die erste tiefe Regierungskrise seit Bestehen der Bundesrepublik», sagt FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann (54).

Deutschland, so scheine es derzeit, «unterscheidet sich nicht mehr von südeuropäischen Staaten wie Italien. Das ist besorgniserregend», findet der Zürcher.

So verheerend wie Brexit und Trump

SP-Nationalrat Tim Guldimann. (KEYSTONE/Alessandro della Valle)
Foto: Keystone

Für SP-Nationalrat Tim Guldimann (67) sind die Geschehnisse der letzten Nacht gar vergleichbar mit dem Brexit und der Wahl von Trump in den USA. «Das Signal ist fatal», sagt der ehemalige Schweizer Botschafter in Berlin.

«Deutschland, der vermeintliche Stabilitätsanker in Europa, ist nicht fähig, eine Regierung zu bilden.» Damit wachse die Verunsicherung, sowohl der Bevölkerung gegenüber der Politik als auch international gegenüber Deutschland.

Wer ist schuld: FDP oder Grüne?

Darüber, wer schuld ist an der Misere, gehen die Meinungen auseinander. Für Guldimann ist klar, dass die Verhandlungspartner ihre eigenen Interessen über das Landeswohl gestellt haben.

Dabei sei die umstrittene Frage des Familiennachzugs für Flüchtlinge «Peanuts» im Vergleich zur Blockierung, die jetzt drohe. Guldimann: «Das ist ein Politikversagen von bedenklichem Ausmass, ein Tiefstand der deutschen Politik.»

Für FDP-Aussenpolitiker Portmann hingegen tragen die Grünen schuld an der Krise, da sie sich bei der Flüchtlingsfrage versteift hätten. Der FDP Partikularinteressen vorzuwerfen, sei hingegen nicht redlich.

Die Flüchtlingsfrage überschattet alles

«Wer, wenn nicht Christian Lindner, kann den Siegeszug der AfD stoppen?», fragt Portmann. «CDU/CSU und SPD haben in der Flüchtlingspolitik den Support der Deutschen verloren.»

Lindners Entscheid, die Gespräche zu beenden, sei richtig gewesen. «Die Alternative wäre gewesen, um des Regierens Willen in eine schwierige Koalition einzutreten und damit zwangsläufig die eigenen Wähler zu verraten.»

SVP-Nationalrat Roland Büchel.
Foto: MONIKA FLUECKIGER

Das sieht auch der Präsident der Aussenpolitischen Kommission, der St. Galler SVP-Nationalrat Roland Büchel (52), so: «Konsequenz und Klarheit sind zu begrüssen, besonders in der Politik. Die deutsche FDP lebt das aus.» Die Alternative – eine «Jamaika»-Koalition – hätte politischen Stillstand bedeutet.

Nur Neuwahlen sind eine Option, aber eine schlechte

Wie wird es weitergehen in Berlin? Die drei Aussenpolitiker sind sich einig: Letztlich bleiben nur Neuwahlen. Eine grosse Koalition halten sie für ebenso ausgeschlossen wie eine Minderheitsregierung.

Neuwahlen böten die Chance, doch noch eine Mehrheitsregierung von CDU/CSU und FDP zu ermöglichen, so Portmann. Doch dafür müsse es gelingen, die Nichtwähler und die Protestwähler zu überzeugen.

«Merkels Ende hat begonnen»

FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann.
Foto: Sabine Wunderlin

Guldimann sieht die Zukunft nicht so rosig. Eine grosse Koalition wolle die SPD nicht, Neuwahlen seien ohne neues Spitzenpersonal nicht glaubwürdig, und eine Minderheitsregierung würde wie die zwei andern Optionen nur der AfD in die Hände spielen. Sicher ist für Guldimann nur eins: «Das Ende der Regentschaft Merkel hat begonnen.»

So weit will Portmann nicht gehen: «Neuwahlen sind auch mit Merkel möglich», glaubt er. Aber sie müsse eine Nummer 2 bestimmen – und so zeigen, wie die Zukunft nach ihr aussehen werde.

Alle aktuellen News zur Regierungskrise in Deutschland nach Jamaika-Aus gibts im Ticker.

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