Social-Media-Plattformen wie Facebook, Twitter und Youtube müssen in Deutschland rigoros gegen Hetzkommentare vorgehen. Dafür gibt es das neue Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG).
Doch die neue Regelung ist bereits nach wenigen Tagen erst mal öffentlich gescheitert: Statt eines vermeintlich rechtspopulistischen Posts der AfD-Politikerin Beatrix von Storch löschte Twitter einen satirischen Tweet der «Titanic». Der Account des Satiremagazins war daraufhin für einige Stunden nicht erreichbar.
Das 2017 verabschiedete Netzwerkdurchsetzungsgesetz von Heiko Maas steht in der Kritik
Der Spott ist gross – ebenso wie die Kritik: Dass die Plattformbetreiber unter Androhung von Bussen dazu verpflichtet sind, beleidigende Kommentare und Falschmeldungen zu löschen, sei eine «Privatisierung» ohnehin geltenden Rechts und könne unter Umständen gegen die Presse- und Meinungsfreiheit verstossen. Justizminister Heiko Maas verteidigt das im Juni 2017 verabschiedete «Facebook-Gesetz» jedoch: Strafbare Hetze könnte so schnell unterbunden werden.
«Die Plattformen können eine Rechtswidrigkeit gar nicht zuverlässig beurteilen», sagt Martin Steiger, Medienanwalt und Sprecher des Vereins «Digitale Gesellschaft», zu BLICK. Das zeigten auch Fälle wie das Erdogan-Gedicht des Satirikers Jan Böhmermann, das durch mehrere juristische Instanzen ging. «Das Gesetz setzt daher völlig falsche Anreize, weil die Plattformen sich im Zweifelsfall für eine Löschung entscheiden, statt eine Strafe zu riskieren.»
Der Bundesrat will Facebook, Twitter und Youtube nicht mit NetzDG regulieren
Auch das ist einer der Gründe, warum sich der Bundesrat bereits im vergangenen Mai dagegen entschloss, die Plattformbetreiber hinsichtlich ihrer Inhalte stärker zu regulieren. In seinem Bericht stellte der Bundesrat fest, dass Social Media zwar beispielsweise eine zentrale Rolle bei der Verbreitung von sogenannten Fake News spielen, die problematischen Fälle jedoch bereits heute von geltendem Recht abgedeckt seien. Plattformbetreiber und private Organisationen hätten zudem selbst bereits Initiativen gegen absichtlich produzierte Falschinformationen lanciert.
Auch Medienrechtsexperte Steiger sieht keinen Grund für ein NetzDG nach deutschem Vorbild in der Schweiz. Man könne jetzt schon auf Basis des Persönlichkeitsschutzes gemäss Artikel 28 des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs Verfahren gegen Hetzkommentare führen. «Und zwar gegen jeden, der am verletzenden Kommentar mitwirkt – und damit auch gegen Facebook.»
Ein Zustellungsdomizil in der Schweiz wäre effektiver als das Facebook-Gesetz
Das Problem für die Betroffenen sieht Steiger jedoch aktuell beim Zeitaufwand: Die internationalen Verfahren dauerten viel zu lange. Helfen würde es, wenn die ausländischen Plattformen einen «Briefkasten» in der Schweiz einrichten müssten. «Ein solches Zustellungsdomizil wäre für die Betroffenen eine erhebliche Erleichterung.»