Kommt der neu ausgehandelten Brexit-Deal am Samstag im britischen Parlament durch, dann dürfte das Vereinigte Königreich mit einem Abkommen am 31. Oktober aus der EU austreten.
Deal wird vom Parlament angenommen
Gleichzeitig tritt dann eine Übergangsphase in Kraft, in der Grossbritannien in der Zollunion und im Binnenmarkt der EU bleibt und hier weiterhin EU-Gesetzgebung übernimmt. Diese Phase, in der ein Freihandelsabkommen mit der EU ausgehandelt werden soll, soll bis Ende 2020 dauern - mit der Möglichkeit einer Verlängerung.
In dieser Übergangsphase wären auch «Drittstaatenabkommen der EU wie die bilateralen Abkommen Schweiz-EU auf das Vereinige Königreich anwendbar», schreibt das eidg. Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) in einem Informationsblatt zum Brexit. Somit dürfte sich für Schweizer in Grossbritannien und für Schweizer Unternehmen praktisch nichts ändern.
Deal wird abgelehnt - es kommt zum ungeordneten Brexit
Stimmt das britische Parlament am Samstag jedoch gegen das vorliegende Abkommen, steigt die Gefahr eines No-Deal Brexit wieder. Die Schweiz wäre von einem ungeordneten Brexit stark betroffen: Denn die auf den bilateralen Abkommen Schweiz-EU basierende Beziehung zwischen Bern und London würden auf einen Schlag gekappt.
Doch auch auf dieses Szenario ist die Schweiz vorbereitet: Fünf Abkommen mit Grossbritannien liegen fixfertig ausgehandelt auf dem Tisch. Im Moment, in dem das Vereinigte Königreich ohne Brexit-Abkommen aus der EU ausscheidet, treten diese in Kraft - definitiv oder wenigstens provisorisch.
5 Abkommen regeln die Beziehung zu London bei No-Deal
Die fünf Abkommen decken wichtige Bereiche in der Beziehung Schweiz-Vereinigtes Königreich ab:
- Handel
- Luft- und Strassenverkehr
- Rechte der Bürgerinnen und Bürger
- Zulassung zum Arbeitsmarkt
- Versicherungen
Keine Lücken im Luftverkehr
So kann bei einem ungeordneten Brexit Dank dem neuen Luftverkehrsabkommen Schweiz-Grossbritannien «die lückenlose Weiterführung der bestehenden Rechte im Luftverkehr» sichergestellt werden, schreibt das EDA. Gemäss Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) gibt es zwischen den beiden Ländern «rund 150 Flüge täglich». Der Güterverkehr ist hier nicht berücksichtigt.
Rechte der Bürger und Bürgerinnen
Bei einem No-Deal Brexit würde auch das Freizügigkeitsabkommen wegfallen. In Grossbritannien arbeitende Schweizerinnen und Schweizer könnten von einem Tag auf den anderen ihren Aufenthaltsstatus verlieren - das gleiche gälte für Briten in der Schweiz. Immerhin leben laut EDA rund 35'400 Schweizer auf der Insel und knapp 41'400 Briten in der Schweiz.
Dank dem Abkommen über die Rechte der Bürgerinnen und Bürger würden die erworbenen Ansprüche von Schweizern nach einem ungeordneten Brexit geschützt - etwa ihre Aufenthalts- und Sozialversicherungsansprüche.
Zugang zu Arbeitsmärkten
Eine Regelung wurde auch für jene Schweizer gefunden, die nach einem No-Deal Brexit in Grossbritannien arbeiten möchten. Sie müssen sich im Vereinigten Königreich registrieren lassen und erhielten ein dreijähriges Aufenthaltsrecht.
Umgekehrt würde die Schweiz separate Kontingente für britische Staatsbürger einführen. Das Abkommen über die gegenseitige Zulassung zum Arbeitsmarkt ist jedoch «grundsätzlich bis 31. Dezember 2020 befristet», schreibt das EDA. Unabhängig davon: Eine Visapflicht für Schweizer Staatsangehörige gäbe es keine.
Handel sichern
Ein Handelsabkommen soll zudem den Warenaustausch zwischen den beiden Ländern weiterhin gewährleisten. Grossbritannien ist gemäss EDA mit 9,4 Mrd. Franken (2018) der sechst wichtigste Absatzmarkt für Schweizer Warenexporte und der acht grösste Herkunftsmarkt für Waren. Importiert wurden Güter im Wert von 7,7 Mrd. Franken.
Beim Handelsabkommen Schweiz-Vereinigtes Königreich wurden grosse Teile «der Abkommen mit der EU im Wirtschafts- und Handelsbereich» übernommen, schreibt das EDA. Dazu gehören unter anderem das Freihandelsabkommens von 1972, das Abkommen über die Anerkennung von von Konformitätsbewertungen (MRA) und das Agrarabkommen.
Einige Problemstellen gibt es dennoch
Doch einige Abkommen Schweiz-EU basieren auf der Harmonisierung von Vorschriften und konnten deshalb nicht vollständig «ins Verhältnis Schweiz-Grossbritannien übernommen werden», schreibt das EDA. Dazu zählen die Abkommen über Zollerleichterung und Zollsicherheit, das Veterinärabkommen und gewisse Sektoren des MRA. Würde man diese Bereiche übernehmen, könnte die Schweiz zum Einfallstor für Güter in die EU werden, die nicht den EU-Standards entsprechen.
Schweiz hat schon früh Abkommen ausgehandelt
Damit ist die Schweiz so gut wie möglich auf einen ungeordneten Brexit vorbereitet - dank frühzeitigem Handeln. Bereits zu Beginn des Jahres 2016, also knapp ein halbes Jahr vor der britischen Brexit-Abstimmung am 23. Juni, hatte man sich in Bern bereits über die Auswirkungen eines Brexit auf die Schweiz Gedanken gemacht und die «Mind the gap»-Strategie entwickelt.
Doch trotz aller Bemühungen handelt es sich bei den fünf Abkommen lediglich um Auffanglösungen. Denn wie sich die Beziehung zwischen Bern und London in Zukunft entwickelt, hängt auch von der künftigen Beziehung EU-Grossbritannien ab. (SDA)
Am 23. Juni 2016 stimmten 51,9 Prozent der Briten für den Austritt aus der EU. Seitdem findet ein langwieriger Prozess der Kompromissfindung zwischen britischer Politik und der EU statt. Am 31. Januar 2020 treten die Briten offiziell aus der EU aus. Behalten Sie den Überblick im Brexit-Chaos mit dem Newsticker von Blick.ch.
Am 23. Juni 2016 stimmten 51,9 Prozent der Briten für den Austritt aus der EU. Seitdem findet ein langwieriger Prozess der Kompromissfindung zwischen britischer Politik und der EU statt. Am 31. Januar 2020 treten die Briten offiziell aus der EU aus. Behalten Sie den Überblick im Brexit-Chaos mit dem Newsticker von Blick.ch.