In der österreichischen Gemeinde Obritz bei Hadres spielen sich in der vergangenen Woche unfassbare Szenen ab. Ein Mann (54), der später als Tom L.* identifiziert wird, greift zwei Mitarbeiter der Stadt mit Pfefferspray an und verschanzt sich anschliessend in seinem Haus. Daraufhin rückt die Polizei an.
Als die Beamten das Gebäude des Mannes durchsuchen, trauen sie ihren Augen kaum. Im Keller des Hauses finden sie die Lebensgefährtin des Mannes und sechs Kleinkinder. Sie alle sind in einem Raum des ehemaligen Weinkellers versteckt.
Laut Angaben der Behörden sollen aufmerksame Nachbarn die Polizei auf die Spur von Tom L. gebracht haben. Diese hätten bemerkt, dass immer wieder Kinderstimmen in den Weinkellern zu hören waren, berichtet unter anderem ORF. Als sich die Anwohner dem Haus, in dem L. die Kinder versteckt hielt, näherten, seien die Stimmen jeweils verstummt.
Die Stadt beschloss daraufhin, nachzusehen. Als die Kontrolleure an der Tür von L. auftauchten, habe dieser sofort die Beherrschung verloren und die Beamten der Stadt mit Pfefferspray angegriffen. Als diese die Polizei alarmierten, soll der Mann gedroht haben, seine Kinder zu töten. Daraufhin habe eine Sondereinheit das Haus gestürmt und die Kinder sowie die Lebenspartnerin gefunden.
Riesige Lebensmittel-Hallen
Laut den Behörden existiert unterhalb des Dörfchens Obritz ein ganzes Netzwerk an ehemaligen Weinkellern. In diesen soll sich Tom L. mit seiner Familie seit Jahren versteckt haben. Laut einem Bericht der «Daily Mail» soll L. der Reichsbürger-Szene angehören und im Prepper-Stil gelebt haben. Als Prepper werden Personen bezeichnet, die sich auf verschiedene Arten von Katastrophen vorbereiten und Massen an Vorräten horten.
L. legte in den Gängen seines Kellers riesige Lager mit Lebensmitteln an, wie ein Video auf seinem TikTok-Kanal zeigt. Darin bestreitet er selbst allerdings, der Reichsbürger- und Prepper-Szene anzugehören. Er habe sich lediglich wie ein verantwortungsvoller Vater benommen.
Bei der Hausdurchsuchung fand die Polizei zudem zahlreiche Waffen. Unter anderem wurden mehrere Luftdruckpistolen, zwei Armbrüste sowie ein Repetiergewehr gefunden. L. meint dazu: «Diese Waffen können niemanden verletzen.»
L. soll bei den Behörden als Holocaust-Leugner und Nazi-Verehrer bekannt gewesen sein. In den vergangenen Jahren soll er über 20 Bücher im Eigenverlag herausgegeben haben, viele davon sollen Hass schürende Texte beinhaltet haben.
L. will Behörden verklagen
Die Behörden haben L. und seine Partnerin in der Zwischenzeit wieder auf freien Fuss gesetzt. Die sechs Kinder, drei Buben und drei Mädchen, verbleiben allerdings in der Obhut des Staates. Laut der «Daily Mail» wurden die Kinder in England geboren und dann nach Österreich gebracht. Gemeldet wurden sie den Behörden aber nie. Deshalb muss Tom L. mit seiner Frau nun in die Hauptstadt Wien reisen und dort einen DNA-Test absolvieren. «Wir haben unsere Kinder hier zwar nie registriert, aber es sind meine. Nun müssen wir beweisen, dass wir die Eltern sind.»
Nach der Hausdurchsuchung soll der Vater nun versuchen, die Behörden zu verklagen. «Die Beamten weigerten sich zu gehen, sie kamen in unser Haus. Es ist nicht ihre Angelegenheit, es geht sie nichts an, wie wir leben. Ich habe ihnen gesagt, dass meine Kinder hier sicher sind.»
Schon andere Fälle sorgten für Aufregung
Laut einem Bericht der «Bild» ging es den Kindern gut. Auch seien bei ihnen keine Spuren von Gewalt festgestellt worden. Anders war dies beim Fall Fritzl, der 2008 unter ähnlichen Umständen für Aufsehen sorgte. Der Inzest-Fall im österreichischen Amstetten schockierte 2008 die ganze Welt: Josef Fritzl hatte seine Tochter 24 Jahre lang im Keller gefangengehalten, immer wieder vergewaltigt und mit ihr sieben Kinder gezeugt. 2009 wurde Fritzl zu einer lebenslangen Haft verurteilt.
2006 kam bereits der Fall von Natascha Kampusch ans Licht. Kampusch wurde damals als zehnjähriges Mädchen auf dem Schulweg entführt und in Wolfang Priklopils Keller nach Wien verschleppt. Als dem weltbekannten Entführungsopfer nach acht Jahren die Flucht gelang, warf sich ihr Kidnapper vor den Zug. (zis)
* Name bekannt