Aus Spass wird bitterer Ernst: Der Komiker Wolodimir Selenski (41) ist neuer Präsident der Ukraine. Dabei ist er das eigentlich schon seit Herbst 2015 – auf den TV-Bildschirmen.
Immer am Mittwoch zur besten Sendezeit zeigte der Schauspieler Selenski, wie er als sauberer, bescheidener, sympathischer Regierungschef Wassil Holoborodko gegen den korrupten Sumpf im Land auf seinem Velo anradelte. Ein Lehrer mit Herz, der es bis ganz nach oben schafft.
«Diener des Volkes» ist eine TV-Serie mit hohen Einschaltquoten und so beliebt, dass seit März 2019 bereits die dritte Staffel läuft. Sendestart war pünktlich zu den Präsidentschaftswahlen. Bereits im ersten Wahlgang am 31. März 2019 erhält Wolodimir Selenski fast ein Drittel der Stimmen. Nun entschieden sich in der Stichwahl sogar 73 Prozent der 30 Millionen Wähler für den ukrainischen Komiker, während Amtsinhaber Petro Poroschenko mit nur noch 25 Prozent weit abfällt. Der Oligarch räumt seine Niederlage ein, gratuliert dem Herausforderer zum Sieg.
Vor zwei Jahren gründet der Komiker seine Partei
Mit Wolodimir Selenski hat die Ukraine den bislang jüngsten Präsidenten ihrer Geschichte. Er ist ein studierter Jurist und Humorist. Seit über 15 Jahren tritt er im russischsprachigen TV-Kanal 1+1 auf, füllt Samstagabendsendungen. Er ist ein Showman, der die Elite auf die Schippe nimmt. Politisch aktiv wird Selenski erst 2017, als er seine Partei gründet, die er nach der TV-Serie nennt, auf Ukrainisch «Sluga naroda».
Doch der neue starke Mann in der ukrainischen Regierung ist nicht «Präsident Holoborodko, der Diener des Volkes». Nun muss er sich beweisen: Kein Drehbuch wird den frischgebackenen Staatschef führen. Keine Schnitte werden seine Schwächen kaschieren. Doch er hält sich eng an seine Rolle: Wie der Serienheld, den er darstellt, verspricht Wolodimir Selenski, die Korruption zu bekämpfen. Er will einerseits auf Russland zugehen, andererseits am EU-Beitritt festhalten. Doch es fehlt ihm an politischem Know-how.
Steckt hinter Selenskis Politkarriere der Oligarch Kolomoiski?
«Wir werden neue Leute ernennen», kündigt Selenski derweil an. Die Führungsriege in der Generalstaatsanwaltschaft und den Generalstab der Streitkräfte beispielsweise wolle er auswechseln. Zudem sei der Friedensplan für den umkämpften Osten wiederzubeleben und Landsleute aus russischer oder separatistischer Gefangenschaft zu befreien.
So mancher Skeptiker jedoch befürchtet ein politisches Possenspiel. Wolodimir Selenski sei nur ein Strohmann von Oligarch Igor Kolomoiski (56), sagen böse Zungen. Der drittreichste Mann der Ukraine und Medienmogul ist nicht nur der Besitzer des Fernsehsenders 1+1, in dem Selenskis Erfolgsserie läuft, ihm gehörte auch die PrivatBank. Die wurde 2016 verstaatlicht. Und die hätte der Milliardär mit Wohnsitz in Genf gern zurück. Mithilfe von Wolodimir Selenski? Bleibt zu hoffen, dass die politische Karriere des Komikers nicht im Drama endet.