Russland
Ukraine-Krieg: Butscha-Gräueln jähren sich, Wahnsinn geht weiter

Ein Jahr nach dem Abzug der Russen aus Butscha hat die Ukraine am Freitag an die Gräuel in dem Vorort von Kiew kurz nach Beginn des russischen Angriffskriegs erinnert.
Publiziert: 31.03.2023 um 17:31 Uhr
ARCHIV - Nach dem Abzug der russischen Truppen entdeckten die Behörden Hunderte Leichen in Butscha. Foto: Carol Guzy/ZUMA Press Wire/dpa
Foto: Carol Guzy

Moskaus Verbündeter Belarus forderte die Ukraine zur Waffenruhe auf und stellte eine Drohung mit Atomwaffen in den Raum. Russland selbst verschärfte noch einmal den Ton gegen den Westen und erklärte die USA zur grössten Gefahr. Die Türkei machte unterdessen den Weg Finnlands in die Nato frei.

Der von Präsident Wladimir Putin befohlene Einmarsch in die Ukraine hatte am 24. Februar 2022 begonnen. Rund fünf Wochen später zogen die russischen Truppen mangels Erfolgen aus der Umgebung der Hauptstadt Kiew ab. Danach wurden unter anderem im Vorort Butscha Massaker entdeckt. Die ukrainische Staatsanwaltschaft spricht von mehr als 9000 registrierten Kriegsverbrechen im Kreis Butscha. Rund um Kiew sollen 1400 Zivilisten getötet worden sein. Moskau weist die Vorwürfe zurück und spricht von einer Inszenierung des ukrainischen Geheimdienstes.

Scholz: «Russland wird nicht siegen!»

Deutschlands Bundeskanzler Scholz erklärte auf Twitter, die Gräueltaten hätten gezeigt, was Putins Krieg bedeute. «Auch mir haben sich die Bilder eingebrannt.» Diese Verbrechen dürften nicht straflos bleiben. «Dafür stehen wir geeint hinter der Ukraine. Russland wird nicht siegen!» EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen sagte, russische Soldaten hätten geplündert, gefoltert, vergewaltigt und ermordet. Die kaltblütigen Hinrichtungen seien Teil eines grösseren Plans, die Ukraine, ihre Unabhängigkeit und ihre Demokratie zu beseitigen.

Vor Ort gedachte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj gemeinsam mit internationalen Gästen der Opfer. «Auf den Strassen von Butscha hat die Welt das russische Böse gesehen, das Böse ohne Maskierung», sagte Selenskyj. Das ukrainische Volk habe «die grösste unmenschliche Kraft unserer Zeit gestoppt».

Ukraine «bereitet nächste Schritte vor»

Zum Kriegsgeschehen hatte Selenskyj am Donnerstag - dem 400. Tag seit dem Angriff - eine nüchterne Bilanz gezogen. «400 Tage der Verteidigung gegen eine umfassende Aggression, dies ist ein kolossaler Weg, den wir zurückgelegt haben», sagte er und fügte hinzu: «Wir bereiten unsere nächsten Schritte, unsere neuen Aktionen vor, wir bereiten uns auf unseren baldigen Sieg vor.»

Nach eigenen Angaben schlugen ukrainische Truppen im Osten des Landes mehrere gleichzeitig geführte russische Angriffe an verschiedenen Frontabschnitten zurück. «Im Brennpunkt» standen demnach die Abschnitte bei Kupjansk, Limansk, Bachmut, Awdijiwka und Marjinsk. Die Angaben der Kriegsparteien sind unabhängig kaum zu überprüfen.

UN-Menschenrechtschef: Dieser Wahnsinn muss ein Ende haben

Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, geisselte den Krieg als Rückfall in eine archaische Ära und forderte in Genf: «Dieser Wahnsinn muss ein Ende haben, und es muss im Einklang mit den Vereinten Nationen und dem Völkerrecht Frieden geschaffen werden.» Wie und wann dies möglich sein soll, ist aber weiter unklar.

Der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez reiste zum chinesischen Präsidenten Xi Jinping, der als möglicher Vermittler gilt. Doch wiederholte Xi nur seine Kritik am Westen: Die «Mentalität des Kalten Krieges und Blockkonfrontation» müssten aufgegeben werden, sagte der Präsident nach Angaben des chinesischen Staatsfernsehens. Auch sollten «extreme Sanktionen und Druck» beendet werden.

Lukaschenko fordert Ukraine zu sofortigen Verhandlungen auf

Putins Verbündeter in Belarus, Machthaber Alexander Lukaschenko, forderte das Nachbarland Ukraine zu einer Waffenruhe und sofortigen Verhandlungen «ohne Vorbedingungen» auf. Kiew könne nicht mit einem Sieg gegen eine Atommacht wie Russland rechnen, sagte der 68-Jährige in einer mehrstündigen Grundsatzrede. Er warnte Kiew vor einer Gegenoffensive. «Das ist das Schlimmste, was passieren könnte.»

Dem Westen drohte Lukaschenko mit dem Einsatz von Atomwaffen zur Sicherung der Souveränität von Belarus. Neben den bereits von Russland zugesagten taktischen Atomwaffen will Belarus im Notfall mit Moskau auch die Stationierung strategischer Atomwaffen vereinbaren.

Putins neue aussenpolitische Doktrin wiederum benennt die USA als «Hauptanstifter, Organisator und Vollstrecker der aggressiven antirussischen Politik des kollektiven Westens». Die USA seien «Quelle der Hauptrisiken für die Sicherheit Russlands», heisst es in dem am Freitag veröffentlichten Dokument.

Weg für Finnland zur Nato frei

Die Nato hat ihrerseits endlich Einigkeit über den Beitritt Finnlands. Das nordeuropäische Land hatte gemeinsam mit Schweden 2022 die Aufnahme in das westliche Verteidigungsbündnis beantragt. Nach langem Hin und Her stimmte als letztes der 30 Nato-Länder die Türkei dem Beitritt Finnlands zu. Das künftige Nato-Mitglied hat eine rund 1340 Kilometer lange Grenze zu Russland. Schweden wartet hingegen noch auf das Ja aus der Türkei und Ungarn. Deutschlands Regierung drängt die Verbündeten, auch Schweden grünes Licht zu geben.

Geklärt hat sich für Berlin indes eine andere Frage: Polen will zunächst keine Kampfjets aus früheren DDR-Beständen in die Ukraine liefern, sodass auch keine deutsche Zustimmung zu der Übergabe notwendig ist. Die vier Mig-29 sowjetischer Bauart, deren Lieferung die polnische Regierung vor zwei Wochen angekündigt hat, stammten nicht aus Deutschland - das stellte der Sicherheitsberater des polnischen Präsidenten Andrzej Duda, Jacek Siewiera, in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur klar.

(SDA)

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