Auf einen Blick
- Biden erteilt der Ukraine die Erlaubnis, ATACMS-Raketen gegen russische Ziele einzusetzen
- Russland droht mit einer «nuklearen Antwort»
- Am Dienstag erfolgte der erste ATACMS-Raketenangriff in einer Grenzregion
- Erstmals setzte die Ukraine auch britische Storm Shadow-Raketen für Angriffe auf Russland ein
Selenski fordert Reaktion auf russischen Raketenschlag
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski hat die Weltgemeinschaft zu einer entschiedenen Reaktion auf den russischen Angriff mit einer neuen Mittelstreckenrakete aufgefordert. «Dies ist eine eindeutige und ernsthafte Ausweitung des Ausmasses und der Brutalität dieses Krieges, eine zynische Verletzung der UN-Charta durch Russland», schrieb Selenski in sozialen Netzwerken. «Es ist ihm egal, was China, Brasilien, die europäischen Länder, Amerika und alle anderen Länder der Welt fordern.»
Putin bestätigt Raketenschlag gegen Ukraine
Der russische Präsident Wladimir Putin hat einen Angriff auf die Ukraine mit einer neuen Mittelstreckenrakete bestätigt und mit weiteren Schlägen gedroht. In einer Videoansprache nannte er das System Oreschnik.
Es arbeite mit Hyperschallgeschwindigkeit und könne nicht abgefangen werden, sagte der Kremlchef. In der ukrainischen Grossstadt Dnipro waren am Donnerstagmorgen mutmasslich sechs Sprengköpfe einer russischen Rakete eingeschlagen. Es seien keine nuklearen Sprengladungen gewesen, sagte Putin.
Er sprach von einer Reaktion darauf, dass die USA und andere westliche Länder der Ukraine den Einsatz weitreichender Waffen auch auf russischem Territorium erlaubt hätten. «Wir haben mehrfach unterstrichen, dass der vom Westen provozierte Regionalkonflikt in der Ukraine Elemente globalen Charakters angenommen hat», sagte Putin. Zugleich nannte er das neue System die Moskauer Antwort darauf, dass die USA Mittelstreckenraketen in Europa und im Pazifik stationieren wollten.
Moskau will Zivilisten warnen
Bei weiteren möglichen Angriffen mit Oreschnik werde Russland die Zivilbevölkerung warnen, damit sie die Gefahrenzone verlassen könne, sagte Putin. Er sprach nicht von einem Nuklearangriff. Allerdings werten Experten gerade den Einsatz von mehreren Sprengköpfen als Hinweis darauf, dass die Rakete technische gesehen auch nuklear bestückt werden könnte. Daten zu der neuen Rakete gibt es bislang nicht, auch die Typenbezeichnung ist bislang nicht aufgetaucht.
Der Einsatz von Raketen mit hoher Reichweite auf beiden Seiten gilt als gefährliche Eskalation in dem seit mehr als 1000 Tagen andauernden russischen Angriffskrieg gegen das Nachbarland.
Die Ukraine hatte in den vergangenen Tagen ATACMS aus US-Produktion und britische Marschflugkörper vom Typ Storm Shadow auf Militärziele in Russland abgefeuert. Nach dem Angriff mit dem neuen Raketentyp auf Dnipro gab es zunächst Spekulationen, ob es sich dabei um eine Interkontinentalrakete gehandelt haben könnte.
Russland will Storm-Shadow-Marschflugkörper abgefangen haben
Russland hat nach eigenen Angaben zwei von der Ukraine abgefeuerte Marschflugkörper vom Typ Storm Shadow abgefangen. Das teilte das Verteidigungsministerium in Moskau mit. Es wäre der erste Einsatz dieser aus Grossbritannien gelieferten Waffen über Russland seit Kriegsbeginn.
Moskau hatte jüngst den Einsatz weitreichender Waffen als Eskalation des Konflikts bezeichnet und in seiner eigenen Atomdoktrin die Schwelle für den Einsatz von Kernwaffen gesenkt.
«Von der Flugabwehr wurden 2 Marschflugkörper Storm Shadow aus britischer Produktion, 6 reaktive Geschosse des Typs Himars aus US-Produktion und 67 Drohnen abgeschossen», heisst es in der Mitteilung des russischen Militärs. Zu Einschlägen und Schäden machte das Verteidigungsministerium keine Angaben.
Putin schickt Zootiere nach Nordkorea
Russlands Präsident Wladimir Putin hat Nordkorea mehr als 70 exotische Tiere aus dem Moskauer Zoo geschenkt.
Darunter seien ein Löwe, zwei Braunbären und Yaks – eine Rinderart –, fünf weisse Kakadus, 25 Fasane und 40 Mandarinenten, berichtete das Internetportal Fontanka bereits am Mittwoch über den Akt von Tierdiplomatie, die auch am Folgetag in Russland noch heftig diskutiert wird.
So schreiben vor allem kremlkritische Internetmedien über ein «Tauschgeschäft», hatte doch Nordkorea zuvor Angaben westlicher Geheimdienste zufolge mehr als 10'000 Soldaten in die Kriegszone an der russischen Grenze zur Ukraine entsandt.
Nicht das erste tierische Geschenk der Russen an Nordkorea
Die Tiere, die Russlands Bodenschatz- und Umweltminister Alexander Koslow per Flugzeug im Rahmen seiner Nordkorea-Reise mitbrachte, sollen künftig im Pjöngjanger Zoo leben. Koslow sprach von einem neuen «Markstein bei der Kooperation» beider Länder. Dabei ist es nicht das erste tierische Geschenk der Russen an Nordkorea.
Schon im April sollen etwa 40 Vögel, darunter See- und Steinadler, an den Zoo in der nordkoreanischen Hauptstadt gegangen sein. Diese Art von Diplomatie ist nicht ungewöhnlich. So nutzt China vor allem Pandabären als Geschenk, um freundschaftliche Beziehungen auszudrücken.
Ukraine meldet: Russen feuerten erstmals Interkontinentalrakete ab
Nach ukrainischen Angaben hat Russland in der Nacht auf Donnerstag erstmals eine ballistische Interkontinentalrakete auf die Stadt Dnipro im Zentralosten des Landes abgefeuert. Die Rakete sei aus der russischen Region Astrachan gestartet worden.
Laut ukrainischen Angaben war sie nicht mit einem Atomsprengkopf bestückt. Es sei «offensichtlich», dass die Rakete keinen nuklearen Sprengkopf gehabt habe, verlautete aus Kreisen der ukrainischen Luftwaffe gegenüber der Nachrichtenagentur AFP.
Der Schlag erfolgte, nachdem die Ukraine in dieser Woche mit US-amerikanischen und britischen Raketen Ziele in Russland angegriffen hatte.
Angriff auf kritische Infrastruktur
Der russische Angriff habe Unternehmen und kritische Infrastruktur in Dnipro zum Ziel gehabt, teilte die ukrainische Luftwaffe mit. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen. Aus der Erklärung ging nicht hervor, ob die Interkontinentalrakete Schäden verursachte. Es wurde zudem nicht gesagt, welche Art von ballistischer Interkontinentalrakete abgefeuert wurde. Ein Militäranalyst gab gegenüber «ABC News» an, dass der Angriff eher dem Beschuss durch eine Kurzstreckenrakete gleiche.
Das russische Verteidigungsministerium hat sich bis jetzt noch nicht zum potenziellen Angriff mit einer Interkontinentalrakete geäussert.
Interkontinentalraketen können sowohl mit konventionellen als auch mit nuklearen Sprengköpfen bestückt werden und Ziele in Tausenden von Kilometern Entfernung treffen.
Video zeigt Storm-Shadow-Angriff
Die Ukraine hat britischen Medienberichten zufolge erstmals von Grossbritannien gelieferte Marschflugkörper vom Typ Storm Shadow im Verteidigungskrieg gegen Russland eingesetzt. Mehrere davon seien gegen mindestens ein russisches Militärziel abgefeuert worden, berichtete die Zeitung «Financial Times» unter Berufung auf einen nicht namentlich genannten westlichen Beamten.
Ein Video, das im Internet kursiert, soll den Angriff zeigen.
Laut der Zeitung «Times» haben Regierungsquellen den Einsatz der Marschflugkörper bestätigt. Zwölf der Raketen seien am Mittwochmorgen auf die russische Grenzregion Kursk abgefeuert worden, die teilweise von ukrainische Truppen kontrolliert wird, berichtete die Zeitung unter Berufung auf russische Sender.
Die bereits im Sommer 2023 gelieferten Marschflugkörper aus britisch-französischer Produktion haben eine Reichweite von bis zu 250 Kilometern, durften aber bisher nicht gegen Ziele in Russland eingesetzt werden.
Ukraine berichtet über russischen Kinschal-Angriff
In der Ukraine ist am frühen Morgen landesweit Luftangriffs- und Raketenalarm ausgelöst worden. Im Gebiet Dnipropetrowsk sei eine russische Hyperschallrakete vom Typ «Kinschal» eingeschlagen, berichtet die Agentur Ukrinform. Die Rakete sei von einem Mig-31-Kampfjet abgefeuert worden.
Kurz darauf warnte die ukrainische Flugabwehr auf der Plattform Telegram vor dem möglichen Einflug mehrerer Ch-101-Marschflugkörper. Diese mit Tarnkappentechnik versehenen Flugkörper seien vermutlich von strategischen Bombern des Typs Tu-95 in der Nähe der Stadt Engels in der südrussischen Region Saratow abgefeuert worden. Weitere Angaben liegen derzeit nicht vor.
US-Think-Tank: Storm Shadows trafen russisches Hauptquartier
Die Ukraine hat nach einem Bericht des in Washington ansässigen Instituts für Kriegsstudien (ISW) in der Nacht zum Mittwoch das russische Hauptquartier für die Kursk-Gegenoffensive mit britischen Marschflugkörpern angegriffen. Nach ISW-Erkenntnissen wurde das russisch-nordkoreanische Hauptquartier in der Stadt Marjino «erfolgreich» mit Marschflugkörpern vom Typ Storm Shadow und mit Kampfdrohnen attackiert.
Die Denkfabrik beruft sich in ihrer Analyse auf Aufnahmen nach dem mutmasslichen Angriff, der dem Barjatinski-Gut in Marjino gegolten haben soll. Proukrainische Quellen verbreiten in den sozialen Medien Drohnenaufnahmen, die angeblich die Einschläge der Storm-Shadow-Raketen in Marjino zeigen.
Russland hat bei Kursk angeblich knapp 50'000 Soldaten, unter ihnen etwa 10'000 Nordkoreaner, zu einer Gegenoffensive zusammengezogen, mit der sie die von ukrainischen Truppen seit Sommer besetzten Gebiete zurückerobern will.
Nach der Entscheidung Washingtons, der Ukraine den Einsatz weitreichender Waffen gegen Ziele auf russischem Staatsgebiet zu erlauben, wurde auch über den Einsatz ähnlicher Waffensysteme aus Grossbritannien spekuliert. Die Regierung in London wollte sich dazu zunächst nicht äussern.
Auch der ukrainische Verteidigungsminister Rustem Umerow wollte den möglichen Einsatz des Waffensystems Storm Shadow weder bestätigen noch dementieren. «Wir nutzen alle Mittel zur Verteidigung unseres Landes, daher werden wir keine Details verraten», sagte er dem US-Sender CNN. «Aber wir geben zu verstehen, dass wir fähig und auch in der Lage zu Gegenschlägen sind.»
Die luftgestützten Storm-Shadow-Marschflugkörper haben eine Reichweite von mehr als 250 Kilometern und können für Präzisionsangriffe auf Ziele wie Bunker und kritische Infrastrukturen eingesetzt werden. Sie sind baugleich mit den französischen Scalp-Raketen.
Botschaften schliessen: Panik in der Ukraine?
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski (46) hat die Bevölkerung dazu aufgerufen, keine Panik zu verbreiten. «Die informative Aufladung, die es heute gab, die panischen Nachrichten, die verschickt wurden, alles das hilft nur Russland», sagte er in seiner abendlichen Videobotschaft. Russland sei natürlich ein «verrückter Nachbar», aber dies gelte am 1001 Kriegstag genauso wie an jedem anderen Kriegstag zuvor. Die Ukrainer hingegen sollten sich nicht verrückt machen lassen – die Flugabwehr werde weiter verstärkt, sagte er.
Selenski traf seine Aussagen vor dem Hintergrund der Schliessung einiger Botschaften in Kiew, was Unruhe in der Bevölkerung angeheizt hatte. In der Ukraine wächst bei vielen Menschen die Sorge, dass Russland den Krieg noch einmal eskalieren lassen könnte, nachdem die Ukraine Medienberichten zufolge weitreichende westliche Waffen gegen russisches Territorium eingesetzt hat. Moskau hatte bereits am Wochenende Kiew massiv mit Raketen beschossen, also noch bevor die Ukraine das erste Mal Russland mit ATACMS-Raketen angegriffen haben soll.
Selenski berichtete in seiner Videobotschaft zudem von weiterer Militärhilfe für sein Land. So stelle Washington ein Rüstungspaket über 275 Millionen Dollar zur Verfügung, darin seien neben Drohnen, Artilleriegeschossen und Himars-Raketen auch Minen, die der ukrainische Präsident als besonders wichtig für die Abwehr russischer Sturmangriffe im Osten des Landes bezeichnete. Bei einem Gespräch mit Polens Regierungschef Donald Tusk (67) sei auch über weitere polnische Hilfe gesprochen worden, berichtete er weiter.
USA liefern Ukraine Minen – weil Russen ihre Taktik änderten
Die US-Entscheidung zur Belieferung der Ukraine mit Antipersonenminen ist nach Angaben von Pentagon-Chef Lloyd Austin (71) durch eine Änderung der russischen Kampftaktik ausgelöst worden. Die russischen Soldaten rückten nicht mehr mit gepanzerten Fahrzeugen oder Schützenpanzern in der Spitze vor, sagte Austin am Mittwoch bei einem Besuch in Laos. «Sie gehen zu Fuss, um sich zu nähern und den Weg für die mechanisierten Kräfte zu ebnen.» Die Ukrainer brauchten nun «Dinge, die helfen können, diese Bemühungen der Russen zu verlangsamen», fügte der US-Verteidigungsminister hinzu.
Die US-Regierung hatte am Dienstag angekündigt, der ukrainischen Armee Antipersonenminen zur Verfügung zu stellen. Ein Regierungsvertreter nannte dabei die Bedingung, dass die Minen zum Schutz der Bevölkerung nur auf ukrainischem Staatsgebiet und in unbewohnten Gebieten eingesetzt werden. Demnach handelt es sich um Antipersonenminen mit einer Deaktivierungsvorrichtung, die bei einem Leerlaufen der Batterien ausgelöst wird. Dies soll die Gefahr für Zivilisten verringern. Aktivisten hatten die Entscheidung dessen ungeachtet kritisiert.
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski (46) begrüsste die Zustimmung der USA zur Lieferung von Antipersonenminen an sein Land. Die Minen seien «sehr wichtig», um den Vormarsch der russischen Armee in der Ostukraine zu stoppen, sagte Selenski am Mittwochabend.