Das Stadtgericht verhängte das umstrittene Urteil am Montag gegen den Oppositionellen, der auch Russlands Krieg gegen die Ukraine scharf kritisiert hatte. Es ist die höchste Strafe, die bisher gegen einen Oppositionellen in Russland verhängt wurde. Der 41-Jährige, der Giftanschläge überlebte, gilt als einer der schärfsten Kritiker von Kremlchef Wladimir Putin.
Das Gericht entsprach dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die das Strafmass Anfang April gefordert hatte. Der Politiker ist nach Angaben seiner Anwältin Maria Eismont gesundheitlich schwer angeschlagen. Sie sagte zuletzt, dass ihr Mandant in Untersuchungshaft 17 Kilogramm an Gewicht verloren habe.
Kara-Mursa wurde zudem die Diskreditierung der russischen Armee vorgeworfen. Staatliche Medien hatten unter Berufung auf Ermittlerkreise behauptet, der frühere Journalist habe gegen eine Bezahlung von rund 30 000 Euro pro Monat Organisationen aus Nato-Ländern geholfen, Russlands nationale Sicherheit zu unterhöhlen.
Zweimal hat der prominente Putin-Gegner rätselhafte Vergiftungen nur knapp überlebt. Recherchen der Investigativgruppe Bellingcat zufolge wurde Kara-Mursa von denselben Agenten des Inlandsgeheimdienstes FSB verfolgt, die auch in den Giftanschlag auf den Oppositionellen Alexej Nawalny verwickelt gewesen sein sollen.
Die EU hat scharfe Kritik an der Verurteilung des prominenten Kremlgegners geübt. «Die ungeheuerlich harte Gerichtsentscheidung zeigt einmal mehr, dass die Justiz politisch missbraucht wird, um Aktivisten, Menschenrechtsverteidiger und alle Stimmen, die sich gegen den unrechtmässigen russischen Aggressionskrieg gegen die Ukraine aussprechen, unter Druck zu setzen», teilte der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell (75) am Montag in Brüssel mit.
Aus Sicht der EU hat das Verfahren auch nicht den internationalen Standards für ein faires und öffentliches Verfahren vor einem zuständigen, unparteiischen und unabhängigen Gericht entsprochen. So seien die Gerichtstermine für Beobachter nicht zugänglich gewesen. Die EU stehe solidarisch an der Seite von allen Russen, die von den Behörden politisch verfolgt, festgenommen oder eingeschüchtert würden, nur weil sie für die Menschenrechte kämpften, die Wahrheit sagten und das Regime kritisierten.
Kara-Mursa erhielt Vaclav-Havel-Preis
Der Politiker Kara-Mursa war im vergangenen Jahr mit dem prestigeträchtigen Vaclav-Havel-Preis des Europarats ausgezeichnet worden. Es erfordere unglaublichen Mut, sich im heutigen Russland gegen die Obrigkeit zu stellen, sagte der Präsident der Parlamentarischen Versammlung, Tiny Kox, im Oktober.
Kara-Mursas Frau nahm den Menschenrechtspreis entgegen. Sie las ein Statement von ihm vor, wonach er den Gewinn all denjenigen widme, die sich in Russland gegen den Ukraine-Krieg auflehnten.
Mit dem Vaclav-Havel-Preis zeichnet die Parlamentarische Versammlung des Europarats seit 2013 Engagement für die Menschenrechte aus. Der Preis ist mit 60 000 Euro dotiert und nach dem verstorbenen Bürgerrechtler und früheren Präsidenten der Tschechischen Republik benannt. (SDA)