In der von besonders vielen Raketen anvisierten Hauptstadt Kiew fielen am Freitag Licht, Wasser und Heizung aus. Auch in anderen Regionen gab es lange Stromausfälle. Der Energieversorger Ukrenergo rief einen Notfallmodus für das Stromnetz aus. Es war die neunte Welle von Raketenangriffen auf die Energie-Infrastruktur der Ukraine.
Zugleich bauen die russischen Truppen nach Erkenntnissen westlicher Geheimdienste ihre Verteidigungsfähigkeiten gegen drohende ukrainische Angriffe aus. Russlands Ex-Präsident Dmitri Medwedew droht inzwischen offen auch den Nato-Staaten mit Angriffen.
Schwere Angriffe lassen in Städten die Lichter ausgehen
Bei dem russischen Raketenschlag fing die ukrainische Flugabwehr eigenen Angaben zufolge knapp 80 Prozent der Raketen ab. «Heute Morgen wurden aus dem Kaspischen und dem Schwarzen Meer vom Gegner 76 Raketen auf Objekte der kritischen Infrastruktur abgefeuert», schrieb der ukrainische Oberkommandierende Walerij Saluschnyj im Nachrichtendienst Telegram. Dabei handle es sich um 72 Marschflugkörper und vier Lenkraketen. 60 seien abgeschossen worden.
Angaben der Militärverwaltung von Kiew zufolge galt der Hauptschlag der Hauptstadt. Von 40 Raketen seien 37 über der Dreimillionenstadt abgefangen worden. Dabei sei ein Mensch verletzt worden. Die ukrainische Regierung wirft Russland «Terror» vor – mit dem Ziel, das Land in Dunkelheit und Kälte zu stürzen.
Durch den neuerlichen Beschuss sei das Stromdefizit im Land deutlich gewachsen, teilte der Stromversorger Ukrenergo weiter mit. Vorrangig sollten Krankenhäuser, die Wasserversorgung und Heizkraftwerke sowie Kläranlagen mit Elektrizität versorgt werden, hiess es.
In der Hauptstadt Kiew sagte Bürgermeister Vitali Klitschko, dass noch mehr Einrichtungen mit autonomer Stromversorgung für den Notfall geöffnet werden sollten. Die Menschen können in solchen durch Generatoren betriebenen Punkten etwa ihre Mobiltelefone oder Powerbanks aufladen. Aufgrund des Beschusses stellte in Kiew die Metro den Verkehr ein, sie diente als Bunker. Die Menschen, die oft in Kälte und Dunkelheit sitzen, wurden erneut auf die öffentlichen Schutz- und Wärmestellen im Land hingewiesen.
Ex-Präsident Medwedew droht mit Angriffen auf Nato-Staaten
Russlands früherer Präsident Dmitri Medwedew hat mit Angriffen auf Nato-Länder gedroht. Streitkräfte und Objekte in Ländern, die offiziell im Krieg mit Russland stünden oder Verbündete des Gegners seien, stellten legitime Ziele für einen Angriff dar, schrieb Medwedew, der Vizechef des russischen Sicherheitsrates ist, am Freitag in seinem Telegram-Kanal. Dazu zählte der 57-Jährige auch die Nato: «Die Führer der Nato-Staaten behaupten einstimmig, dass ihre Länder und die ganze Allianz nicht gegen Russland kämpfen.» Das stimme nicht.
Nach Angaben Medwedews sind neben der politischen Führung und den Streitkräften des Gegners sowie deren Technik auch Objekte militärischer und ziviler Infrastruktur wie Brücken und die Energieversorgung ein legitimes Ziel von Angriffen.
Putin trifft in Belarus Machthaber Lukaschenko
Russlands Präsident Wladimir Putin wird an diesem Montag bei seinem ersten Besuch in Belarus seit Jahren Machthaber Alexander Lukaschenko in Minsk treffen. Gesprochen werden solle über die strategische Partnerschaft der beiden Länder, die einen Unionsstaat bilden, sowie über regionale und internationale Fragen, teilte der Kreml am Freitag mit.
Im Ukraine-Krieg stellt Belarus seine Militärbasen für Angriffe auf die Ukraine zur Verfügung. An der Reise sollen auch mehrere Mitglieder der russischen Regierung teilnehmen. Belarus ist wirtschaftlich von Russland abhängig, Lukaschenko lebt von Putins Krediten.
London ortet russische Vorbereitungen auf Stellungskrieg
Die russischen Invasionstruppen in der Ukraine setzen nach Ansicht britischer Militärexperten zunehmend auf einen veralteten Stellungskrieg. Das geht aus dem täglichen Geheimdienst-Update des Verteidigungsministeriums in London zum Krieg in der Ukraine am Freitag hervor. Demnach errichten die russischen Truppen aufwendige Verteidigungsanlagen entlang der gesamten Frontlinie mit einem Schwerpunkt auf dem nördlichen Sektor um die Stadt Swatowe im Oblast Luhansk.
«Die russischen Konstruktionen folgen traditionellen militärischen Plänen zum Bau von Schützengräben, die seit dem Zweiten Weltkrieg weitgehend unverändert sind. Solche Konstruktionen sind wahrscheinlich anfällig für moderne, präzise indirekte Schläge», hiess es in der per Twitter verbreiteten Mitteilung.
Litauen kauft US-Mehrfachraketenwerfer
Litauen rüstet vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine weiter auf: Das baltische EU- und Nato-Land erwirbt acht US-Mehrfachraketenwerfer vom Typ Himars mit Munition und Ausrüstung. Darüber sei ein Kaufvertrag im Wert von rund 495 Millionen US-Dollar (etwa 465 Millionen Euro) unterzeichnet worden, teilte das Verteidigungsministerium in Vilnius am Freitag mit. Die Auslieferung der ersten Raketensysteme ist 2025 vorgesehen. Litauen grenzt an die russische Ostsee-Exklave Kaliningrad und an Russlands Verbündeten Belarus.
Der Krieg in der Ukraine wird in dem Baltenstaat als direkte Gefahr für die nationale Sicherheit gesehen. Der Ostseestaat im Nordosten Europas hat daher seine Militärausgaben massiv erhöht und rüstet seine Streitkräfte auf.
Medizinische Notfallteams nehmen Arbeit in rückeroberten Gebieten auf
Mehrere medizinische Notfallteams haben in kürzlich von Kiew zurückeroberten Gebieten in der Ukraine die Arbeit aufgenommen. Unter anderem in Charkiw, Cherson und Mykolajiw seien nun von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) unterstützte Teams im Einsatz, um Notfallpatienten zu behandeln und eine grundlegende Gesundheitsversorgung sicherzustellen, teilte das WHO-Regionalbüro Europa am Freitag mit.
Die bislang sieben Teams bestünden jeweils aus einem Arzt, zwei Krankenpflegern, einem Traumatologen und einem Fahrer. Insgesamt sollen bis zu 25 Notfallteams auf einen Einsatz vorbereitet werden. Seit der russischen Invasion in die Ukraine ist die Gesundheitsversorgung der Menschen im Land schwer beeinträchtigt.
(SDA)