Gericht fällt heute Urteil
Kremlgegner Nawalny droht lange Haft – Proteste angekündigt

Ungeachtet internationaler Kritik will die russische Justiz den Kremlgegner Alexej Nawalny für Jahre ins Gefängnis bringen.
Publiziert: 02.02.2021 um 04:55 Uhr
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Aktualisiert: 02.02.2021 um 06:10 Uhr
Rückkehr nach Russland: Kremlgegner Alexej Nawalny fliegt am 17. Januar nach Moskau. Foto: Mstyslav Chernov/AP/dpa
Foto: Mstyslav Chernov

Ein Gericht in der russischen Hauptstadt Moskau urteilt an diesem Dienstag über den Antrag des Strafvollzugs, die in einem Prozess 2014 verhängte Bewährungs- in eine echte Haftstrafe umwandeln zu lassen. Die Generalstaatsanwaltschaft befürwortet dies. Es handele sich um fingierte Vorwürfe gegen Nawalny, die «von Anfang an die Handschrift des Kreml trugen», meinte die Vorsitzende des Ausschusses für Menschenrechte im Bundestag, Gyde Jensen.

Der Prozess gegen den bekanntesten Gegner von Präsident Wladimir Putin gilt als neuer Versuch, den angriffslustigen Oppositionellen mundtot zu machen. «Klar ist: Dieses Verfahren ist auch in Russland als politischer Prozess entlarvt, die Proteste werden weitergehen, egal wie das Urteil ausfällt», sagte die FDP-Politikerin. Nawalnys Unterstützer riefen zu Solidaritätskundgebungen am Gerichtsgebäude und zu Protesten im Land auf.

Der Politiker überlebte im August in Sibirien nur knapp einen Mordanschlag mit dem international geächteten chemischen Kampfstoff Nowitschok. Der 44-Jährige macht für das Attentat Putin und Agenten des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB verantwortlich. Nawalny sieht den Prozess nach seiner Rückkehr nach Russland nun als eine Rache des Kreml dafür, dass er nicht gestorben ist. Putin und der FSB hatten diese Vorwürfe zurückgewiesen.

Als sich Nawalny in Deutschland von dem Attentat erholte, soll er sich nicht - wie in einem früheren umstrittenen Strafverfahren vorgeschrieben - bei den russischen Behörden gemeldet haben. Der russische Strafvollzug hatte ihn deshalb zur Fahndung ausgeschrieben und liess ihn nach seiner Landung in Moskau am 17. Januar festnehmen. Ihm drohen eine Vielzahl weiterer Prozesse.

Das Vorgehen hatte international Entsetzen ausgelöst. Die Bundesregierung forderte mehrfach die Freilassung Nawalnys. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) sagte, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte habe das damalige Strafverfahren gegen Nawalny als «grob willkürlich beurteilt». «Statt Nawalny und seine Unterstützer weiter zu verfolgen, zu unterdrücken und zu kriminalisieren, müssen endlich strafrechtliche Ermittlungen beginnen, um das Gift-Attentat auf ihn aufzuklären», verlangte sie.

Russland lehnt Ermittlungen ab, weil es keine Hinweise auf eine Vergiftung sieht. Mehrere westliche Labors, darunter eins der Bundeswehr, hatten die Nowitschok-Spuren allerdings zweifelsfrei nachgewiesen. Die EU hat deshalb Sanktionen gegen ranghohe russische Funktionäre verhängt. Nawalnys Team hat mit Blick auf die drohende langjährige Inhaftierung die EU und die USA aufgerufen, der Justizwillkür in Russland nicht tatenlos zuzusehen - und weitere Sanktionen zu verhängen. Auf EU-Ebene wird dies bereits diskutiert.

An diesem Dienstag wird die schwedische Aussenministerin Ann Linde zu Gesprächen mit ihrem russischen Kollegen Sergej Lawrow in Moskau erwartet. Sie hat derzeit auch den Vorsitz in der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) inne. Ende der Woche trifft sich Lawrow in Moskau zudem mit dem EU-Aussenbeauftragten Josep Borrell, der das Vorgehen gegen Nawalny und Andersdenkende mehrfach scharf verurteilt hatte. Russland verbittet sich eine Einmischung in seine inneren Angelegenheiten.

(SDA)

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