Russland
Kreml-Kritiker Nawalny droht mit Gang nach Strassburg

Moskau – Nach Protesten gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin muss der Kreml-Kritiker Alexej Nawalny für 30 Tage in Haft. Der Oppositionelle will das Urteil nicht hinnehmen. Seine Anwälte drohen mit dem Gang vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.
Publiziert: 13.06.2017 um 16:59 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 05:15 Uhr
Kreml-Kritiker Alexej Nawalny vor einem Gericht in Moskau: Die Richter verurteilten ihn wegen der Demonstrationen in ganz Russland zu 30 Tagen Arrest.
Foto: KEYSTONE/AP/ALEXANDER ZEMLIANICHENKO

Ein Moskauer Gericht verurteilte Nawalny am späten Montagabend wegen wiederholten Verstosses gegen die Regeln zur Organisation von Protesten. Nach der Verurteilung wollen dessen Anwälte in Berufung gehen. Im nächsten Schritt schliesse man nicht aus, auch vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu klagen, sagte Nawalnys Anwalt, Dmitri Terechow, der Agentur Tass am Dienstag.

Der 41-jährige Nawalny war auf dem Weg zu einer Demonstration in Moskau am Montagnachmittag festgenommen worden. Er hatte zu landesweiten Protesten gegen die Regierung aufgerufen. Bei der nicht genehmigten Demonstration im Moskauer Stadtzentrum waren nach Angaben des Bürgerrechtsportals OWD Info mehr als 850 Menschen in Gewahrsam genommen worden.

Auch in anderen Städten im ganzen Land hatte es Proteste gegeben. In St. Petersburg gab es nach offiziellen Angaben mehr als 500 Festnahmen. Viele Teilnehmer wurden noch in der Nacht aus dem Polizeigewahrsam freigelassen.

Das Gericht habe vor seinem Urteil mehrere Anträge der Verteidigung abgelehnt, teilte Nawalnys Sprecherin Kira Jarmysch mit. Nawalnys Anwälte wollten die Verhandlung unter anderem am späten Montag vertagen, um sich in die Anklageunterlagen einlesen zu können.

Nawalny witzelte unmittelbar nach der Urteilsverkündung auf Twitter: «30 Tage. Schlimm genug, dass sie das Land ausplündern. Ich verpasse deswegen auch noch das Konzert von Depeche Mode in Moskau.»

Auch der bekannte Oppositionspolitiker Ilja Jaschin wurde am Dienstag von einem Moskauer Gericht zu 15 Tagen Arrest verurteilt. Ein Polizist sagte der Agentur Interfax zufolge vor Gericht aus, Jaschin habe mehrere Menschen bei der Feier zum Nationalfeiertag behindert. Jaschin wies dies entschieden zurück. «Ich habe keine Losungen gerufen, habe nicht gegen das Gesetz verstossen», beteuerte er.

Die Europäische Union fordere die sofortige Freilassung aller Festgenommenen, teilte ein Sprecher mit. «Die Festnahme Hunderter friedlicher Demonstranten und die eingesetzte Gewalt (...) bedrohen die Meinungsfreiheit und das Recht auf Versammlung», hiess es in einer Mitteilung.

Der Präsident des Europaparlaments, Antonio Tajani, äusserte sich «besorgt» über Nawalnys Inhaftierung. Amnesty International sprach von «alarmierenden Szenen» und kritisierte die Gewalt gegen Demonstranten.

Der Sprecher von US-Präsident Donald Trump, Sean Spicer, rief die russischen Behörden auf, «alle friedlichen Demonstranten unverzüglich freizulassen». Die Bürger Russlands verdienten eine Regierung, die ihnen die Möglichkeit gebe, «ihre Rechte ohne Furcht oder Zwang auszuüben».

Der Kreml bezeichnete die Proteste von «Provokateuren» unterdessen als «gefährlich» für die Öffentlichkeit. Erlaubte Veranstaltungen stellten dagegen keine Gefahr dar, sagte der Kreml-Sprecher Dmitri Peskow.

Nawalnys Sprecherin teilte mit, im Büro ihres Fonds zum Kampf gegen Korruption seien zeitgleich zur Demonstration der Strom und das Internet abgeschaltet worden. Die Mitarbeiter hatten einen Livestream zu den Protesten eingerichtet.

Der Kreml-Kritiker, der bei der Präsidentenwahl 2018 antreten will, war bereits Ende März nach landesweiten Protesten zu 15 Tagen Arrest verurteilt worden. Gegen Dutzende Protest-Teilnehmer wurden ebenfalls Strafen verhängt.

Der Blogger Nawalny prangert seit Jahren Korruption in Russland an. Im März hatte er einen Film veröffentlicht, in dem Ministerpräsident Dmitri Medwedew vorgeworfen wird, ein riesiges Vermögen durch ein Netzwerk an Stiftungen zu kontrollieren. Nach längerem Schweigen wies Medwedew den Vorwurf als «Quatsch» zurück.

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