Russland-Experte über Putins Rolle im Nahen Osten
«Die Eskalation spielt dem Kreml in die Hände»

Der Krieg im Nahen Osten hat Auswirkungen in der ganzen Welt. Russland ist einer der Profiteure dieses neuen Konflikts. Was den Kreml mit der Hamas verbindet – und warum sich Wladimir Putin die Hände reiben kann. Eine Analyse.
Publiziert: 09.10.2023 um 01:04 Uhr
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Aktualisiert: 09.10.2023 um 08:33 Uhr
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Israel hat zum ersten Mal seit 50 Jahren den Kriegszustand ausgerufen. Im Bild tragen israelische Soldaten einen Verwundeten zum Helikopter.
Foto: keystone-sda.ch
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Chiara SchlenzAusland-Redaktorin

Es herrscht Krieg im Nahen Osten. Militante Palästinenser im Gazastreifen haben am Samstagmorgen überraschend Raketen auf Israel abgefeuert. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu (73) warnt sein Volk, dass man sich auf einen langen Konflikt vorbereiten soll.

Der Terroranschlag der Hamas raubt der Region das letzte bisschen an Stabilität, das sie noch hatte. Das dürfte vor allem einen Akteur freuen: Russland. Nicht zuletzt der Besuch einer Hamas-Delegation oder die Visite vom russischen Verteidigungsminister Sergei Schoigu (68) im Hamas-nahen Teheran lässt Politikwissenschaftler wie Andrew A. Michta (67) zu diesem Schluss kommen.

Aber wie profitiert Russland von einem Krieg im Nahen Osten?

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Russland kann von Ukraine-Krieg ablenken

Indem dieser Krieg den Fokus des Westens auf Israel und weg von der Ukraine lenkt, erklärt Michta auf X (ehemals Twitter). Auch Ulrich Schmid, Russland-Experte an der Uni St. Gallen, bestätigt gegenüber Blick: «Der Konflikt in Israel spielt dem Kreml in die Hände. So kann Russland vom Krieg in der Ukraine ablenken. Der Kreml hat sich sogar schon als Friedensvermittler ins Spiel gebracht.»

Ein weiterer Punkt, wie Russland von dem Konflikt profitieren kann: Es werde dem Westen vorwerfen, die Sicherheit im Nahen Osten vernachlässigt zu haben, um die Ukraine zu verteidigen. Das verkündet das amerikanische Institut für Kriegsstudien (ISW) am Sonntag.

Die Experten verwiesen etwa darauf, dass das russische Aussenministerium den Westen beschuldigt habe, zuletzt die Bemühungen des Nahost-Quartetts, zu dem neben Russland die USA, die EU und die Vereinten Nationen gehören, blockiert zu haben. Was wiederum den Globalen Süden, zu dem auch der Nahe Osten gehört, davon überzeugen könnte, dass der Westen nicht an ihm interessiert ist. Das wiederum würde die Macht Russlands in der Region steigern.

Hamas und Russland pflegen lange Freundschaft

Man sollte jedoch bedenken, dass Russland und die Hamas – die von Russland nicht als terroristische Gruppe anerkannt wird – seit vielen Jahren politische Beziehungen unterhalten. Russland hat den Sieg der Hamas bei den palästinensischen Wahlen 2006 offiziell anerkannt (was der Rest des Nahost-Quartetts nicht getan hat). Beide Seiten haben sich seither regelmässig getroffen – meist auf der Ebene von Ministern oder stellvertretenden Aussenministern.

Die Verbindungen zwischen Russland und der Hamas haben sich seit dem Beginn des Kriegs in der Ukraine allerdings vertieft. Bereits letztes Jahr reisten russische Delegationen in den Gazastreifen, Hamas-Abgeordnete besuchten Russland. Die Intensivierung der Beziehungen zwischen Russland und der Hamas könnte also als ein Schritt Moskaus interpretiert werden, die Beziehungen zu Israels Feinden als Vergeltung für die Haltung Israels zum Krieg in der Ukraine zu verbessern.

Dass Russland aber aktiv seine Finger im Spiel hat und die Hamas konkret im Kampf gegen den israelischen Staat unterstützt, bezweifelt Experte Ulrich Schmid. Denn auch wenn Russland und Israel in Sachen Ukraine-Krieg nicht der gleichen Meinung sind: «Russland wird seine Beziehungen zu Israel nicht so einfach aufs Spiel setzen.»

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