Hunderten zivile Opfer
Butscha-Verbrechen sollen aufgeklärt werden - Die Nacht im Überblick

Nach dem Bekanntwerden von Hunderten zivilen Opfern im Kiewer Vorort Butscha hat die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft Untersuchungen angekündigt.
Publiziert: 04.04.2022 um 06:38 Uhr
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Aktualisiert: 04.04.2022 um 09:50 Uhr
Ein ukrainischer Soldat steht an einer Straßenblockade in Butscha und hält die ukrainische Flagge hoch. Foto: Rodrigo Abd/AP/dpa
Foto: Rodrigo Abd

«Das ist eine Hölle, die dokumentiert werden muss, damit die Unmenschen, die sie geschaffen haben, bestraft werden», schrieb die ukrainische Generalstaatsanwältin Iryna Wenediktowa auf Facebook. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj geht von noch Schlimmerem aus.

Selenskyj befürchtet weitere Verbrechen

Präsident Selenskyj befürchtet, dass sich noch «schrecklichere Dinge auftun könnten» als das, was bisher über die Verbrechen in Butscha bekannt geworden ist. Andere Regionen des Landes stünden noch unter russischer Kontrolle. Dort könnten «noch mehr Tote und Misshandlungen» bekannt werden, sagte Selenskyj. Der Präsident schaltete sich zudem per Video zur Verleihung der US-Musikpreise Grammys und bat um Unterstützung für sein Land. «Unterstützt uns auf jegliche Art und Weise, die euch möglich ist», sagte er bei der live im US-Fernsehen übertragenen Veranstaltung.

Die Bilder aus der kleinen Stadt Butscha, wo nach dem Abzug russischer Truppen zahlreiche Leichen von Bewohnern auf den Strassen gefunden worden waren, sorgten international für Entsetzen. Die Ukraine macht für das Massaker russische Truppen verantwortlich, die die Stadt bis vor kurzem besetzt hatten. Moskau bestreitet das.

Selenskyj lud die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel zu einer Reise nach Butscha ein. Merkel könne sich dort - ebenso wie der ehemalige französische Präsident Nicolas Sarkozy - ein Bild von ihrer gescheiterten Russland-Politik der vergangenen Jahre machen, sagte Selenskyj in einer Videobotschaft.

Generalstaatsanwaltschaft: Leichen werden obduziert

Seit Freitag wurden nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft bereits 140 der bisher 410 geborgenen Leichen aus der Region Kiew obduziert. Ausserdem nahmen demnach mehr als 50 Mitarbeiter von Staatsanwaltschaft und der Nationalen Polizei erste Ermittlungen zu den Verbrechen im Gebiet Butscha auf. Auch in anderen Regionen soll es Untersuchungen geben.

Kriegsverbrecher-Tribunal gefordert

Nach den Kriegsgräueln in Butscha fordert die Vizepräsidentin des Europaparlaments, Nicola Beer, ein «Sonderkriegsverbrecher-Tribunal ähnlich wie bei den Jugoslawien-Kriegen» gegen die Verantwortlichen. «Für uns alle ist die Monstrosität dieser Taten unbegreiflich», sagte die FDP-Politikerin bei Bild-TV. «Das sind schwerste Verbrechen gegen die Menschlichkeit, das sind Kriegsverbrechen.»

Polens Präsident Andrzej Duda twitterte zu den Verbrechen in Butscha: «Kriminelle müssen als Kriminelle bezeichnet, vor Gericht gestellt und verurteilt werden.» Die Bilder aus der Stadt widerlegten die Annahme, «dass wir um jeden Preis einen Kompromiss suchen müssen.» Er forderte «Waffen, Waffen und noch mehr Waffen» für die Ukraine.

«Angriffe auf unschuldige Zivilisten und zivile Infrastruktur sind Kriegsverbrechen», twitterte der australische Regierungschef Scott Morrison am Montag. «Russland muss und wird für die Aktionen seiner Streitkräfte zur Rechenschaft gezogen werden.»

Tote und Verletzte in Charkiw

In der ostukrainischen Millionenstadt Charkiw wurden nach ukrainischen Angaben 34 Menschen durch russischen Beschuss verletzt. Mindestens sieben Menschen seien getötet worden, schrieb die Staatsanwaltschaft der Region auf Telegram. Unter den Verletzten waren demnach drei Kinder.

In der westukrainischen Stadt Ternopil soll es einen Luftangriff gegeben haben. Die nordukrainische Stadt Tschernihiw ist nach Angaben des dortigen Bürgermeisters inzwischen zu 70 Prozent zerstört.

Russland bestätigte derweil mehrere Luftangriffe auf Militäreinrichtungen und Treibstofflager in Regionen Kiew und Mykolajiw. Unweit von Kiew sei in Wassylkiw ein Kontrollzentrum der Luftwaffenbasis zerstört worden, sagte der Sprecher des Verteidigungsministeriums in Moskau, Igor Konaschenkow.

Ukraine: Russische Truppen ziehen sich aus Region Sumy zurück

Russische Truppen sollen damit begonnen haben, sich aus der ostukrainischen Region Sumy zurückzuziehen. Es sei aber noch zu früh, um von einer Befreiung der Region zu sprechen, sagte der Chef der Gebietsverwaltung von Sumy, Dmytro Schywyzkyj, der Agentur Unian zufolge in der Nacht zu Montag in einer Videobotschaft.

Krieg in der Ukraine

Blick informiert im Ticker Live über die aktuellen Entwicklungen in der Ukraine.

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London: Mariupol Schlüsselziel der russischen Invasion

Die ukrainische Hafenstadt Mariupol ist nach Ansicht der britischen Militäraufklärung «höchstwahrscheinlich» ein Schlüsselziel der russischen Invasion in die Ukraine. Mit der Einnahme der weiterhin schwer umkämpften Stadt könnte eine direkte Landverbindung zwischen Russland und der besetzten Halbinsel Krim hergestellt werden, verlautete in der Nacht zum Montag aus einem Update des britischen Verteidigungsministeriums unter Berufung auf Geheimdienstinformationen.

Russlands bisher einzige Verbindung vom Festland zur Halbinsel ist eine Brücke über die Meerenge von Kertsch. Mariupol bleibe weiterhin Ziel «intensiver und wahlloser» Angriffe.

Tausenden gelingt Flucht aus umkämpften Städten

Mehr als 2600 Menschen wurden nach ukrainischen Angaben am Sonntag aus besonders umkämpften ukrainischen Städten in Sicherheit gebracht. Von den 2694 Menschen seien fast 1500 aus der Region Luhansk gerettet worden, sagte die ukrainische Vize-Regierungschefin Iryna Wereschtschuk nach Angaben der Zeitung «Ukrajinska Prawda».

Generalstab: Verlegung russischer Truppen nach Belgorod

Der ukrainische Generalstab erwartet verstärkte Angriffe auf Donezk und das Dorf Tawrytscheske im Osten des Landes. Er teilte in der Nacht zu Montag ausserdem mit, dass Russland einzelne Einheiten aus Belarus nach Russland verlege.

Wirtschaftsminister Habeck kündigt zügige weitere Sanktionen an

Weitere Sanktionen der EU gegen Russland werden nach den Worten von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck noch in dieser Woche kommen. Das dann fünfte Sanktionspaket könne Massnahmen umfassen «in der ganzen Bandbreite von persönlichen Sanktionen gegen weitere Menschen aus dem Putin-Regime über technische Güter; den Finanzmarkt werden wir uns auch noch einmal anschauen», sagte er im ZDF.

Das wird heute wichtig

Die diplomatischen Bemühungen um eine Beendigung des Kriegs werden auf internationaler Ebene fortgesetzt.

(SDA)

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