Der Todesschütze Saur Dadajew muss für 20 Jahre in Lagerhaft, wie die Agentur Tass am Donnerstag meldete. Vier Komplizen belegte das Geschworenengericht mit Haftstrafen zwischen 11 und 19 Jahren. Die Staatsanwaltschaft hatte für den Todesschützen lebenslange Haft beantragt, für die Mitangeklagten 17 bis 23 Jahre.
Lange Haftstrafe für Mörder
Das Gericht verurteilte die Männer aus dem russischen Nordkaukasus zudem zu Geldstrafen von jeweils 100'000 Rubel (rund 1500 Franken). Schuldig gesprochen wurden die Angeklagten bereits Ende Juni von einer Geschworenenjury, nun folgte die Verkündung des Strafmasses. Russische Oppositionelle kritisierten die Strafen als zu gering.
Wer gab den Mord an Boris Nemzow in Auftrag?
Der ehemalige Vizeregierungschef Nemzow war am 27. Februar 2015 nachts auf einer Brücke in der Nähe des Kremls in Moskau erschossen worden. Der Fall hatte international Bestürzung ausgelöst. Die Ermittler gehen von einem Auftragsmord aus, dessen Hintermänner noch unbekannt sind.
Nach einem mutmasslichen Auftraggeber wird international gefahndet. Zudem soll es weitere Drahtzieher geben, zu denen die Angeklagten enge Verbindungen gehabt haben sollen. Die nun Verurteilten sollen für die Tat rund 15 Millionen Rubel bekommen haben.
Viele Freunde und Mitstreiter Nemzows sehen als eigentlichen Auftraggeber den autoritären tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow oder jemanden aus seinem Umfeld. Das Gericht hatte im Dezember jedoch die Forderung zurückgewiesen, Kadyrow als Zeugen vorzuladen.
Ist das Urteil zu mild?
Das Urteil werfe Fragen auf, kritisierte Nemzows früherer Vertrauter Ilja Jaschin. «Was sind 20 Jahre gegen ein Menschenleben? Ohne Zweifel verdient Dadajew lebenslangen Freiheitsentzug, nur dies wäre eine angemessene Strafe gewesen», sagte er der Agentur Interfax. Dennoch sei wichtig, dass überhaupt jemand bestraft würde, meinte er.
Die Anwälte von Nemzows Tochter Schanna Nemzowa forderten die Behörden auf, weiter nach den Hintermännern zu suchen. Angesichts der nun verhängten Strafen sei zu hoffen, dass die Auftraggeber lebenslang hinter Gitter müssen, sagte Olga Michailowa.
Nemzowa, die in Deutschland als Journalistin arbeitet, wirft den Behörden vor, die Untersuchungen zu verschleppen. Ihre Anwälte hatten im Prozess die Schuld eines der Angeklagten angezweifelt.
Auch die Anklage zeigte sich unzufrieden mit dem Strafmass. Staatsanwältin Maria Semenenko schloss eine Revision nicht aus, um doch noch eine lebenslange Haft für Dadajew zu erwirken. Darüber werde aber erst nach Prüfung der Dokumente entschieden.
Die Verteidigung kündigte Berufung beim Obersten Gericht oder beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte an. Die Angeklagten beteuerten ihre Unschuld. «Ich verstehe nicht, wofür ich verurteilt wurde», sagte Schadid Gubaschew, der 16 Jahre ins Gefängnis muss.
Dadajew hatte nach seiner Festnahme zunächst ein Geständnis abgelegt. Später widerrief er aber seine Aussagen, die seinen Angaben zufolge unter Folter erzwungen worden waren. Bei der Urteilsverkündigung hauchte einer der Angeklagten an den Glaskasten für die Angeklagten und schrieb mit seinem Finger das Wort «Lüge» auf die Scheibe.
Lange Suche nach Wahrheit
Die Moskauer Ermittlungsbehörde teilte mit, die Suche nach den Organisatoren gehe weiter. Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte, er hoffe, dass die Auftraggeber gefunden werden. Präsident Wladimir Putin hatte den Mord in Kremlnähe damals als Provokation bezeichnet.
Zuletzt hatte der Fall Aufsehen erregt, weil sich die Verkündung von Urteil und Strafmass verzögert hatte. Die Geschworenen konnten sich zunächst in mehreren Anläufen nicht auf einen Schuldspruch einigen. Der Fall wurde vor einem Militärgericht verhandelt, weil die Angeklagten Verbindungen zu tschetschenischen Sicherheitsbehörden haben.