Ungeachtet russischer Warnungen will die Nato den Balkanstaat Montenegro zum 29. Bündnismitglied machen. Die Aussenminister der Nato-Staaten luden das nur rund 600'000 Einwohner zählende Land heute offiziell ein, der Verteidigungsallianz beizutreten.
«Gegen niemanden gerichtet»
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg nannte die Entscheidung historisch. Sie mache klar, dass die Nato ihre Tür offen halte, um die «Vision von einem geeinten, freien und friedlichen Europa zu verwirklichen», sagte er.
Bei der Einladung gehe es «nicht um Russland», versicherte Stoltenberg. Sie sei «gegen niemanden gerichtet». Jede Nation dürfe «über ihren eigenen Weg und ihre eigenen Sicherheitsvereinbarungen entscheiden».
Kritik aus Moskau
Russland hatte eine weitere Nato-Osterweiterung erst vor kurzem wieder als schädlich für die europäische Sicherheit bezeichnet. Nach dem nun erfolgten Beitrittsangebot kündigte Russland eine deutliche Antwort an. Die Führung in Moskau werde die Situation analysieren und darauf reagieren, sagte der Präsidentensprecher Dmitri Peskow heute der Nachrichtenagentur Interfax zufolge.
Der einflussreiche russische Aussenpolitiker Alexej Puschkow sagte, die Einladung habe aus Sicht Moskaus eher politische als militärische Bedeutung. Ein Nato-Beitritt Montenegros würde das strategische Gleichgewicht nicht ändern. Er zeige aber, dass das von den USA vorangetriebene Erweiterungsstreben nicht aufhöre, sagte der Chef des Auswärtigen Parlamentsausschusses Interfax zufolge.
Heftiger Widerstand im eigenen Land
Montenegro selbst ist über den Nato-Beitritt gespalten. Nach allen Umfragen sind die Befürworter und Gegner praktisch gleich stark. Die Gegner sind gleichzeitig Russlandfreunde und stehen in scharfer Opposition zur Regierung. Im September begannen sie mit einem Parlamentsboykott den Versuch, Regierungschef Milo Djukanovic zu entmachten.
Der Konflikt eskalierte Ende Oktober, als die Opposition mit Protesten die Regierung gewaltsam stürzen wollte. Die erstickte die Demonstration mit grosser Härte mit dem Einsatz von Tränengas, Blendgranaten und Gummigeschossen.
Aussenminister: «grosser Tag»
Der montenegrinische Aussenminister Igor Luksic sprach heute in Brüssel von einem «grossen Tag» für sein Land. Die Einladung sei auch die Anerkennung grosser Anstrengungen.
Montenegro ist das kleinste Land Ex-Jugoslawiens. Das Land mit Meeresküste spaltete sich erst 2006 von Serbien ab. Von der Einladung bis zum Nato-Beitritt kann es noch dauern. Bei Albanien und Kroatien etwa lag dazwischen ein Jahr. Die beiden Länder waren 2008 von der Nato eingeladen und 2009 aufgenommen wurden.
Mit Blick auf die Nato-Beitrittsaspiranten Mazedonien, Georgien und Bosnien-Herzegowina bekräftigten die Nato-Aussenminister heute im wesentlichen frühere Entscheidungen. Sie sollen erst eine Einladung für eine Mitgliedschaft erhalten, wenn sie weitreichende Reformauflagen in den Bereichen Politik, Wirtschaft und Verteidigung erfüllt haben.
Mazedonien ist bislang am weitesten. Insbesondere eine Hürde gilt es vor einer Aufnahme aber noch zu überwinden: Der Namensstreit mit dem Nato-Mitglied Griechenland muss gelöst werden. (SDA/noo)