Das muss man erst mal schaffen: der eigenen radikalen Bewegung zu radikal zu sein. Der Klimaaktivist Roger Hallam (53) hat es geschafft. Nachdem der Mitgründer von Extinction Rebellion (dt. Rebellion gegen das Aussterben) in einem Interview mit der «Zeit» den Holocaust relativiert hatte, distanzierten sich die deutsche Ortsgruppe und Schweizer Aktivisten von dem Briten. Kritiker werfen ihm Panikmache vor.
Auch am Worldwebforum in Zürich trat Hallam am Freitag wie ein Weltuntergangsprophet auf. Lob gibts nur für Greta Thunberg (17), die am selben Tag in Lausanne VD weilte. Dem Vielflieger-Publikum schleuderte er wütend entgegen: «Ihr werdet sterben!» Er will sie bekehren. «Ich mache hier gleich einen Workshop», erklärt er. BLICK gibt er vorher ein Interview.
BLICK: Wie weit würden Sie fürs Klima gehen?
Roger Hallam: Extinction Rebellion definiert sich über bestimmte Methoden. Ziviler Ungehorsam ist quasi unser Produkt. Wir überlegen uns sehr genau, wo wir ihn üben, wie wir das machen und welchen Preis das hat.
Gibt es einen Preis, der zu hoch ist?
Aus sozialwissenschaftlicher und moralischer Sicht muss man sagen: Wenn wir selbst gewalttätig werden, ist das kontraproduktiv.
Fänden Sie es schlimm, wenn Menschen im oder durch den Klimakampf verletzt würden?
Ziviler Ungehorsam ist nichts für Feiglinge. Martin Luther King hat die Leute auch dazu gebracht, sich auf die Strasse zu setzen. Der wusste auch, dass statistisch gesehen jemand sterben würde, die Faschisten und die Rassisten jemanden umbringen würden.
Das würden Sie akzeptieren?
Unsere Aktivisten wissen, was sie tun und worauf sie sich einlassen.
Fast hätte Roger Hallam nicht nach Zürich reisen können. Für die geplante Stilllegung des Flughafen London Heathrow durch Drohnen sass er im Gefängnis, erst am Dienstag erhielt er seinen Pass zurück. Der ehemalige Bio-Bauer wurde zum Klimaschutzaktivisten, nachdem er seine vier Hektar grosse Farm in Wales, die er ohne Traktoren bewirtschaftete, aufgeben musste – verantwortlich dafür macht er eine Serie von Extremwetterereignissen. 2018 organisierte er die erste Demo von Extinction Rebellion (XR) in London mit. Hallams Ziel: Möglichst viel mediale Aufmerksamkeit durch Massenverhaftungen. XR steht stark in der Kritik. Die englische Polizei führt die Bewegung auf einer Terrorbekämpfungs-Liste als mögliche Bedrohung. Im November erschien Hallams Buch «Common Sense», in dem er eine «Revolution» in Gesellschaft und Staat fordert.
Fast hätte Roger Hallam nicht nach Zürich reisen können. Für die geplante Stilllegung des Flughafen London Heathrow durch Drohnen sass er im Gefängnis, erst am Dienstag erhielt er seinen Pass zurück. Der ehemalige Bio-Bauer wurde zum Klimaschutzaktivisten, nachdem er seine vier Hektar grosse Farm in Wales, die er ohne Traktoren bewirtschaftete, aufgeben musste – verantwortlich dafür macht er eine Serie von Extremwetterereignissen. 2018 organisierte er die erste Demo von Extinction Rebellion (XR) in London mit. Hallams Ziel: Möglichst viel mediale Aufmerksamkeit durch Massenverhaftungen. XR steht stark in der Kritik. Die englische Polizei führt die Bewegung auf einer Terrorbekämpfungs-Liste als mögliche Bedrohung. Im November erschien Hallams Buch «Common Sense», in dem er eine «Revolution» in Gesellschaft und Staat fordert.
Welche Ziele hätten Sie hier im Visier?
Das überlasse ich den Schweizer Aktivisten. Unsere Methode ist klar: In die Hauptstadt oder die wichtigste Stadt gehen und die Strassen blockieren.
Extinction Rebellion ist hierzulande vor allem bekannt geworden, weil Aktivisten letztes Jahr die Limmat in Zürich grün färbten.
Das sehe ich als Umweltzerstörung. Aber wir müssen Risiken auf uns nehmen und Fehler machen.
Gehen Sie ans World Economic Forum?
Nein. Ich kenne Leute von Extinction Rebellion, die hochgehen. Aber wir wollen uns nicht anbiedern. Die Emissionen der Europäer sind noch ziemlich so wie vor zehn Jahren. Nichts hat sich geändert. Den Wandel bekommen wir nur durch Disruption hin.
XR-Aktivisten, auch in der Schweiz, haben sich von Ihnen distanziert. Sind Sie zu radikal für die Bewegung?
Extinction Rebellion wächst seit zwei Jahren massiv. Ohne es böse zu meinen: Es ist ein riesiges Chaos. Die Aktivisten haben unterschiedliche Ideen davon, wo sie hinwollen. Und wir müssen definieren, wie wir mit den Medien umgehen, was wir mit unserer Bekanntheit anstellen wollen, wer für die Bewegung sprechen darf. Da hatten wir enorme Unstimmigkeiten.
Wie demokratisch sind Sie, wenn es um den Klimakampf geht?
Ich sehe Extinction Rebellion als Demokratiebewegung. Denken Sie an die Bürgerversammlungen, die wir fordern. Der Klimawandel ist die grösste Krise seit dem Zweiten Weltkrieg. Um den zu lösen, brauchen wir die gesamte Gesellschaft. Wir schlagen dafür nationale Versammlungen vor, für die die Leute nach dem Zufallsprinzip ausgewählt werden. Dafür wollen wir Aktivisten den politischen Raum schaffen.
Wie finanzieren Sie sich?
Wir haben im letzten Jahr mehrere Millionen Pfund an Spenden gesammelt. Wir zahlen Leuten eine Art Grundsicherung – die Leute sagen, was sie brauchen, um Vollzeit als Aktivisten zu arbeiten. Ich bekomme 400 Pfund pro Woche, damit zahle ich meine Rechnungen.
Lassen Sie sich bald wieder festnehmen?
Das weiss ich noch nicht. Vielleicht stecke ich meine Zeit lieber in die Mobilisierung. Theoretisch wäre es möglich, Millionen für unsere Sache zu gewinnen.
Wie wollen Sie das anstellen?
Ein bisschen wie die evangelikalen Missionare im 19. Jahrhundert. Wir gehen raus und erzählen den Menschen, dass sie sterben werden. Das emotionalisiert sie. Darauf aufbauend funktioniert es wie Projektmanagement: Wir wollen diese Leute dazu bringen, das Gesetz zu brechen. Danach ist es nur noch ein Zahlenspiel. Wenn drei verhaftet werden, kratzt das niemanden. Wenn eine Million Menschen verhaftet werden, wird sich was ändern.