«Biden ist der Beste für die schwierigste aller Aufgaben»
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«Thank You, Mr. President»:Das waren die Highlights von Bidens Vereidigung

Robert Wang (69) kennt den neuen US-Präsidenten bestens
«Biden ist der Beste für die schwierigste aller Aufgaben»

Über 30 Jahre lang hat Robert Wang für die US-Regierung gearbeitet – immer wieder Seite an Seite mit Joe Biden. Im Interview mit BLICK spricht er über die Herausforderungen im In- und Ausland für den neuen US-Präsidenten und erklärt, wie Biden so tickt.
Publiziert: 21.01.2021 um 07:23 Uhr
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Aktualisiert: 24.01.2021 um 08:35 Uhr
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Robert Wang arbeitete 30 Jahre lang als hochrangiges Mitglied für die US-Regierung.
Foto: Allison Shelley/Getty Images for
Nicola Imfeld aus Washington D.C.

Secret-Service-Agenten, schwer bewaffnete Soldaten, Dutzende Militär-Checkpoints: Washington D.C. gleicht in den Tagen vor der Amtseinführung des künftigen US-Präsidenten Joe Biden (78) einer Festung. So muss auch die Lokalität für das BLICK-Interview kurzfristig gewechselt werden. In einem Restaurant in Arlington, wenige Kilometer ausserhalb der Hauptstadt, klappt es dann doch noch.

Robert Wang (69) hätte die Checkpoints wohl locker passieren können. Der heutige Professor war über drei Jahrzehnte lang ein hochrangiges Mitglied der US-Regierung. Die meiste Zeit davon verbrachte er in China – unter anderem war er von 2011 bis 2013 stellvertretender Botschafter der amerikanischen Vertretung in Peking. In seiner Funktion stand Wang immer wieder eng mit Biden in Kontakt. Er zeigt BLICK gemeinsame Fotos vor der Chinesischen Mauer und bei einem Treffen mit dem heutigen Präsidenten Xi Jinping (67).

BLICK: Sie haben Joe Biden mehrfach durch China geführt, sassen bei den wichtigsten Meetings am Tisch. Wie tickt der neue US-Präsident?
Robert Wang: Er ist sehr bodenständig, immer zu Scherzen aufgelegt – ein richtiger Kumpel-Typ. Auf unseren Reisen durch China habe ich gesehen, dass sich Biden wirklich um die Menschen kümmert. Er hat auch keine Berührungsängste, wenn die Kameras nicht dabei sind – das unterscheidet ihn wohl von anderen Politikern. Kurz nach der Jahrtausendwende zum Beispiel wollte er als US-Senator unbedingt eine lokale Kirche besuchen. Dort sprach Biden erst mit dem Pastor und ging dann zu den jungen Studenten hin. Das Gespräch mit einem etwas älteren Jugendlichen ist mir besonders in Erinnerung geblieben. Biden sprach ihm minutenlang Mut zu, sagte zum Schluss: «Du kannst ein Leader Chinas werden.»

Machte Biden auch auf Kumpel, wenn er mit Xi Jinping sprach?
Am Verhandlungstisch zeigte er durchaus sein menschliches Geschick. Es schien so, als ob sich die beiden gut verstanden hätten. Als wir uns einmal alle zur Begrüssung getroffen haben, hat Biden auf mich gedeutet und zu Xi Jinping gesagt, dass ich ihm alles über China beigebracht habe. Wir lachten. Ein anderes Mal flogen wir in die Stadt Sichuan und besuchten eine Grundschule. Biden sah junge Kinder Basketball spielen, liess Xi Jinping stehen und versuchte einen Korb zu werfen. Es dauerte etwas, aber irgendwann war der Ball drin. Strahlend kam Biden zu Xi Jinping zurück und wollte ihm den Ball geben, doch dieser lehnte ab (lacht).

Zeit für Basketball wird Biden nun kaum haben, es wartet viel Arbeit auf ihn. Was sind die grössten Herausforderungen?
Gerne würde ich jetzt die Auslandpolitik hervorheben, aber zuallererst muss sich Biden um das Inland kümmern. Hier gibt es enorm viel zu tun, ja es könnte einem schwindelig werden (lacht). Die zwei wichtigsten Eckpfeiler sind derzeit die Bewältigung der Corona-Pandemie und die Einigung unseres tief gespaltenen Landes. In Sachen Covid wird Biden wohl zuerst Rückschläge erleiden. Die Erwartungen im Zusammenhang mit den Impfstoffen sind hoch: Biden möchte in seinen ersten 100 Tagen die Marke von 100 Millionen Impfdosen erreichen. Doch er ist auf die Mithilfe der Bundesstaaten angewiesen, und dort hapert es gewaltig. Gleichzeitig möchte Biden das Billionen-Hilfspaket für die finanziell leidende Bevölkerung schnell durch den Kongress bringen. Eine anspruchsvolle Aufgabe, gerade weil er gleichzeitig den Mindestlohn auf 15 Dollar anheben will.

Und wie vereint man als Präsident ein Land, wenn man sich nicht einmal mehr einig ist, wer denn tatsächlich die Wahl gewonnen hat?
Alle sprechen über Einigkeit. Die Republikaner sagen quasi: «Ihr macht, was wir machen wollen, sonst sind wir nicht vereint.» Und genau dasselbe bei den Demokraten (lacht). Aber es geht nicht nur um die Parteien, Donald Trump oder die Wahlen. Da könnte es kurzfristig eine leichte Entspannung geben. Die langfristige Herausforderung ist die tiefe Polarisierung in der Bevölkerung – und diese geht weit über Trump hinaus. Da geht es um Identitätskrisen, Globalisierungsängste und so weiter. Joe Biden ist als moderater Politiker der beste Mann für diese schwierigste aller Aufgaben. Aber in einer Amtszeit kann er diese Polarisierung nicht bewältigen. Das wird Jahre, vielleicht Jahrzehnte dauern. Wir werden also leider auch noch 2024 über ein gespaltenes Land sprechen.

Und die Auslandpolitik?
Biden wird die Bündnisse mit unseren europäischen Partnern wieder erfolgreich stärken. Ich traue ihm auch wichtige Schritte im Kampf gegen den Klimawandel zu. Selbst das Atomabkommen mit dem Iran dürfte wieder zum Thema werden, da ist der Ausgang aber ungewiss. Dasselbe gilt für den Umgang mit China. Dies ist die grösste Herausforderung des 21. Jahrhunderts für den Westen. Ich hoffe, dass Biden den Druck nicht wieder vollständig zurückfahren und somit dieselbe Politik wie die Obama-Administration verfolgen wird. Ich war dabei und kann heute sagen: Es hat nicht funktioniert und wird so nie funktionieren.

Sie erhoffen sich also eine Fortführung der Trump-Politik in Bezug auf China?
Die Strafzölle sind wirtschaftlich umstritten, aber politisch hat Donald Trump zu Beginn das Richtige getan. Man muss die Chinesen unter Druck setzen, damit sie sich wirtschaftlich und auch in Bezug auf die Einhaltung der Menschenrechte ändern. Aber in Peking kennen sie unser System genau. Als die US-Wahlen näher rückten, hat unser Präsident sehr schnell einen Deal unterschrieben. Trump wollte einen Erfolg vorweisen – doch die Chinesen mussten in diesem Teilabkommen kaum Zugeständnisse machen. Von Biden erhoffe ich mir deshalb, dass er nicht alle Strafzölle streicht. Wir müssen den Druck konstant hoch halten. Und dann einen guten Deal aushandeln. Aber ob der politische Wille besteht? Biden hat sich dazu im Wahlkampf widersprüchlich geäussert.

Müssen wir uns in Europa und in der Schweiz mit Joe Biden auf die Rückkehr der USA als Weltpolizei einstellen?
Ich verstehe diese Besorgnis, kann aber Entwarnung geben: Ich bin überzeugt, dass die Trump-Jahre uns bescheidener gemacht haben. Wir verstehen nun – gerade im Umgang mit China –, dass es unsere europäischen Partner braucht. Nur Amerika, Westeuropa, Japan und Südkorea gemeinsam können den Grossmächten, die unsere demokratischen Werte bedrohen, erfolgreich entgegentreten. Die USA werden in den kommenden Jahren nicht mehr diese Leaderrolle übernehmen, wie wir sie seit dem Zweiten Weltkrieg innehatten. Jetzt aber die grosse Frage, die mir Sorgen bereitet: Wer reisst das Ruder an sich? Leider sehe ich den Willen weder in Europa noch bei unseren asiatischen Partnern. Man fürchtet sich vor den Konsequenzen.

Zum Schluss die Hand aufs Herz: Joe Biden hat im In- und Ausland gewaltige Aufgaben vor sich. Wie zuversichtlich sind Sie?
Es gibt wie so oft allen Grund für Pessimismus. Aber meine Erfahrung lehrt mich etwas anderes. Ich bin 1963 als Zwölfjähriger mit meinen Eltern nach Amerika gekommen. In diesen Jahren war das Land auch enorm gespalten; wir hatten die tödlichen Bürgerrechtsproteste, die Demonstrationen gegen den Vietnam-Krieg und so weiter. Wenn ich aber heute im Jahr 2021 zurückschaue und eine Bilanz ziehen müsste, dann sehe ich den Fortschritt. In Amerika geht es seit 1963 voran. Langsam und immer wieder mit Rückschlagen. Aber es geht voran.

Vom Botschafter zum Dozent

Robert Wang (70) war von 1984 bis 2016 ein hochrangiges Mitglied des US-Aussenministeriums. Er war die meiste Zeit in China stationiert. Unter anderem amtete er von 2011 bis 2013 als stellvertretender Botschafter der amerikanischen Vertretung in Peking. Zuletzt war Wang ein führender Beamter in der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (APEC). Seit sechs Jahren unterrichtet er an der Georgetown University in Washington.

Robert Wang (70) war von 1984 bis 2016 ein hochrangiges Mitglied des US-Aussenministeriums. Er war die meiste Zeit in China stationiert. Unter anderem amtete er von 2011 bis 2013 als stellvertretender Botschafter der amerikanischen Vertretung in Peking. Zuletzt war Wang ein führender Beamter in der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (APEC). Seit sechs Jahren unterrichtet er an der Georgetown University in Washington.

März 2020: Wang über China und Covid-19

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