Revolution statt Büffeln für die Matura
Diese 19-Jährige bringt Tausende auf die Strasse

Karolina Farska sollte eigentlich für ihre Matura-Prüfungen lernen. Stattdessen will sie die Regierung der Slowakei zu Fall bringen.
Publiziert: 09.03.2018 um 11:57 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 23:30 Uhr
Karolina Farska, Organisatorin der Proteste gegen die Regierung in der Slowakei, in einem Café in Bratislava.
Foto: Tim Röhn
Vinzenz Greiner

Sie hatte mit 10'000 bis 15'000 Menschen gerechnet. Doch dann gingen am 2. März rund 26'000 Menschen in Bratislava auf die Strasse – gegen Korruption und die Regierung.

«Die Menschen haben das Vertrauen verloren», sagt Karolina Farska (19), die die Demos mit drei anderen Slowaken organisiert hatte. Farska meint damit das Vertrauen in die Regierung.

Diese verstrickt sich nach dem Mord an Journalist Jan Kuciak (†27) und dessen Recherchen zu Mafiaverbindungen in den engsten Kreis um Premier Robert Fico (53) in Lügen, Verschwörungstheorien und Widersprüche.

Mit der Mafia verbundener Staat

«Auch wenn Fico jetzt sagen würde, Kuciaks Mord wäre aufgeklärt, würde ihm niemand glauben. Auch wenn es stimmen würde», sagt Farska. Sie sitzt in einem Café in der Altstadt Bratislavas, draussen spiegelt die Donau die milde Frühlingssonne. Farska wirkt nicht wie eine 19-Jährige Gymnasiastin, sondern wie eine professionelle NGO-Vertreterin, die selbstbewusst den Regierenden auf den Schlips tritt.

Eigentlich sollte sie jetzt zuhause sitzen und büffeln. Nächste Woche beginnen ihre Matura-Prüfungen. Stattdessen traf sie EU-Parlamentarier, sprach mit Journalisten, organisierte die Demonstrationen vom heutigen Freitag.

Warum Revolution statt Matura-Vorbereitung? «Ich fühle mich verantwortlich», sagt Farska. «Ich will nicht, dass meine Familie, dass meine Freunde in einem Staat leben der, der mit der Mafia verbunden ist.»

«Arroganz der Macht»

Ihr politisches Engagement hat sie nicht von ihren Eltern. Sie sah im Fernsehen eine Parlamentsdebatte – oder etwas, das eine Debatte hätte sein sollen. Denn die wichtigen Personen der Regierungsfraktionen standen einfach auf und verliessen den Plenarsaal, um einer Diskussion aus dem Weg zu gehen. Farska nennt das: «die Arroganz der Macht».

Sie organisierte letztes Jahr aus Spass einen kleinen Protest. Als überraschenderweise Leute kamen, hatte sie Blut geleckt. Die arrogante Macht, Farska will sie Demut lehren.

Im letzten April organisierte sie Proteste gegen Innenminister Robert Kalinak, der Verbindungen zu einem Steuerbetrüger hat und im Verdacht steht, sich selbst illegal bereichert zu haben. Er blieb im Sattel.

«Grundlegende demokratische Standards sind bedroht»

Warum sollten die Proteste jetzt Wirkung zeigen? «Der Druck ist viel höher als bei den anderen Affären. Hier geht es um Pressefreiheit», sagt Farska. «Grundlegende demokratische Standards sind bedroht.»

Deswegen trommeln Farska und ihre Mitstreiter in der ganzen Slowakei Leute zusammen. In Bratislava soll es eine Demo auf dem Platz des Slowakischen Nationalaufstands – er erinnert an die slowakische Widerstandsbewegung, die 1944 gegen die einmarschierende Wehrmacht kämpfte. Farska findet diesen Platz «passend».

Wie es für sie nach der Matura weitergehen wird? Eigentlich hatte sie nach England gehen wollen. Dann dachte sie, Prag sei besser, sie sei da näher zuhause, wo es politisch brennt. «Jetzt denke ich darüber nach, ein Jahr Auszeit zu nehmen.» Und zwar in der Slowakei. Es gibt hier noch viel zu tun.

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