Papst Franziskus hat den Weg für die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare durch die katholische Kirche freigemacht – allerdings nur unter strikten Bedingungen. Dies geht aus einem Schreiben zur Glaubenslehre hervor, das der Vatikan am Montag in Rom veröffentlichte. Darin ist nach offizieller deutscher Übersetzung von der «Möglichkeit der Segnung von Paaren in irregulären Situationen und von gleichgeschlechtlichen Paaren» die Rede. So weitreichend die Entscheidung auch ist: Die Formulierungen machen deutlich, dass der Vatikan keinesfalls bereit ist, homosexuelle Partnerschaften mit einer Ehe zwischen Mann und Frau gleichzustellen.
Die Frage, ob gleichgeschlechtliche Paare einen Segen bekommen dürfen, gehört zu den grossen Streitfragen in der katholischen Kirche. Im Gegensatz zum Papst, der sich früher schon offen dafür gezeigt hatte, lehnen viele konservative Amtsgeistliche dies bis heute strikt ab. In Deutschland werden Segensfeiern für homosexuelle Paare in vielen Gemeinden bereits praktiziert, fanden aber bislang in einer kirchenrechtlichen Grauzone statt. Das Erzbistum Köln unter dem erzkonservativen Kardinal Rainer Maria Woelki hatte kürzlich noch einen Geistlichen deshalb gemassregelt.
Die Erklärung mit dem Titel «Fiducia supplicans» (in etwa: «Flehendes Vertrauen») wurde nun vom vatikanischen Amt für die Glaubenslehre veröffentlicht, eine der zentralen Behörden des Kirchenstaats. Als Oberhaupt der katholischen Kirche hatte sie Franziskus zuvor ausdrücklich gebilligt. Das Schreiben trägt auch seine Unterschrift. Verfasst wurde es von Kardinalpräfekt Victor Manuel Fernández, der wie der Papst aus Argentinien kommt.
Die Grenzen der Entscheidung
In der «Erklärung über die pastorale Sinngebung von Segnungen» wird grundsätzlich zwischen verschiedenen Formen der Segnung unterschieden. Dabei macht der Vatikan deutlich, dass rituelle Segnungen oder alles, was auch im Entferntesten einer Hochzeit ähneln könnte, für gleichgeschlechtliche Paare weiterhin nicht in Frage kommen. Alle Riten und Gebete, die Verwirrung stiften könnten, seien unzulässig. Eine Ehe sei die «ausschliessliche, dauerhafte und unauflösliche Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau, die von Natur aus offen ist für die Zeugung von Kindern».
Weiter heisst es dann aber auch, es gebe jedoch die Möglichkeit, auch Menschen zu segnen, die nicht nach den Normen der christlichen Morallehre lebten. «Jeder Mensch, auch wenn er in Situationen lebt, die nicht dem Plan des Schöpfers entsprechen, besitzt positive Elemente, für die er den Herrn loben kann.» Wenn Menschen spontan um einen Segen bitten – «sei es auf Wallfahrten, an Wallfahrtsorten oder sogar auf der Strasse, wenn sie einem Priester begegnen» – könne Segen gespendet werden, ohne etwas zu verlangen. Wörtlich: «Niemand darf ausgeschlossen werden».
Die Abkehr vom klaren Nein
Franziskus selbst hatte bereits im Herbst in einem Brief an mehrere Kardinäle erkennen lassen, dass er Segnungen für homosexuelle Paare nicht grundlegend ablehnt. Wer einen Segen wolle, erbitte im Vertrauen auf Gott dessen Hilfe, um besser leben zu können. Man müsse daher abschätzen, ob es Formen der Segnung geben könne, ohne eine falsche Vorstellung von der Ehe zu vermitteln. Offizielle Regelungen dazu – beispielsweise durch Bistümer oder Bischofskonferenzen – lehnte der Papst auch damals schon ab.
Mit der Erklärung vollzieht der Vatikan einen Kurswechsel. Noch vor zwei Jahren – also auch schon in der Amtszeit von Franziskus - hatte die Führung der römisch-katholischen Kirche klargestellt, dass es «nicht erlaubt» sei, homosexuelle Partnerschaften zu segnen. Solche Verbindungen könnten «nicht als objektiv auf die geoffenbarten Pläne Gottes hingeordnet anerkannt werden».
Kehrtwende kurz nach hohem Geburtstag
Der Papst feierte am Sonntag seinen 87. Geburtstag. Trotz gesundheitlicher Probleme machte er in den vergangenen Monaten mehrfach klar, dass er im Unterschied zu seinem deutschen Vorgänger Benedikt XVI. nicht zurücktreten will. Franziskus hat auch eine Weltsynode auf den Weg gebracht, die derzeit über Veränderungen berät. Die nächste und möglicherweise abschliessende Versammlung ist für Oktober nächsten Jahres geplant. In zehn Jahren Pontifikat hat Franziskus viele Hoffnungen auf grössere Reformen, die ihn vor allem in der Anfangszeit begleiteten, bislang enttäuscht.
Die Zulassung von Segensfeiern für gleichgeschlechtliche Paare war auch eine der Hauptforderungen für den deutschen Reformprozess Synodaler Weg. Trotz massiver Kritik von konservativen Kräften wurde die Forderung im März von der Synodalversammlung auch offiziell beschlossen.
«Es gibt nur Liebe»
Der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann (Grüne), bezeichnete die Entscheidung als «längst überfälliges Signal». «Damit erhalten auch in Deutschland all diejenigen Rückendeckung, die gleichgeschlechtliche Paare segnen wollen», sagte er der Deutschen Presse-Agentur. «Es gibt keine Liebe erster und zweiter Klasse. Es gibt nur Liebe.» Eine kirchliche Unterscheidung in reguläre und irreguläre Partnerschaften, wie sie der Vatikan vornehme, sei aber weiterhin diskriminierend.(SDA)