Langsam und vorsichtig tasteten sich die Retter in der Höhle voran, sie sind von Kopf bis Fuss voll Schlamm. Im Schein der Stirnlampen hieven sie tief unter der Erde eine Trage weiter. Auf der liegt eine 31 Jahre alte Höhlenkletterin, die am Sonntag bei einer Exkursion in Norditalien abstürzte und sich am Fuss verletzte.
Nach mehr als 40 Stunden komplizierter Schinderei erreichen die Helfer am Dienstag endlich den Ausgang der Höhle in der Nähe des Iseosees zwischen Brescia und Bergamo. Um 13.45 Uhr sieht die Frau wieder Tageslicht, ehe sie von einem Helikopter in ein Krankenhaus geflogen wird.
Stabiler Zustand
In dem Höhlenlabyrinth von Bueno Fonteno in der Region Lombardei unweit des beliebten Gardasees lief seit Sonntag die aufwendige Aktion. Sie erinnerte an die Befreiung eines Forschers aus der Riesending-Schachthöhle 2014 in Deutschland oder die Rettung von zwölf Jugendfussballern und deren Trainer aus einer überfluteten Höhle in Thailand 2018. Und auch diesmal gab es ein Happy End.
Die verletzte Frau ist laut Medienberichten den Umständen entsprechend in einem stabilen Zustand. Ärzte hatten in den Stunden zuvor unter der Erde regelmässig über die Aktion gewacht.
Am Sonntagnachmittag war die Frau aus der nahe gelegenen Gemeinde Adro zusammen mit vier Kletterpartnern in die Höhle eingestiegen. In dem erst vor wenigen Jahren entdeckten unterirdischen Labyrinth wollte die Gruppe eine neue Route erkunden, wie der "Corriere della Sera" berichtete.
Felssicherung löste sich
In rund 150 Metern Tiefe löste sich dann laut ersten Erkenntnissen eine Felssicherung, die 31-Jährige stürzte eineinhalb Meter ab und schlug mit dem Bein hart gegen eine Felswand. Das Weiterklettern war nicht möglich, zwei Partner holten Hilfe.
Aus mehreren Regionen eilten spezialisierte Höhlenretter herbei und machten sich an die Bergung. Zunächst erreichten Mediziner die Frau für einen ersten Check, danach wurde eine Telefonleitung von der Oberfläche zur Unglücksstelle verlegt. Die Frau, die als erfahrene Kletterin gilt, wurde fest auf einer Trage verschnürt. Auf Videos war zu sehen, wie nur noch Teile ihres Gesichts zu erkennen sind.
Wasser erschwerte die Arbeiten
Der Ausstieg war komplizierter als erwartet: Weil es in der Nacht auf Dienstag heftig regnete und viel Wasser in die Höhle eindrang, musste die Bergung unterbrochen werden. Unter anderem war ein tiefer Schacht zu überwinden. "Zentimeter für Zentimeter" arbeiteten sich die Helfer voran, wie Italiens Berg- und Höhlenrettung (CNSAS) twitterte.
Die erst vor wenigen Jahren entdeckte Höhle ist viele Kilometer lang und teils noch unerforscht. An einigen Stellen muss man sich tief abseilen, anderswo kommt man an engen Punkten nur schwer voran. Auf Videos war zu sehen, wie sich die Retter beim Einstieg in die Höhle gebückt auf Händen und Füssen fortbewegten.
Als der Helikopter abhob und klar war, dass die Frau befreit war, brach bei den wartenden Freunden und Angehörigen Jubel aus, wie ein TV-Reporter erzählte.
Eine ähnliche – aber kompliziertere und langwierige – Rettungsaktion hatte es im Juni 2014 in Bayern gegeben, als der Höhlenforscher Johann Westhauser schliesslich fast zwei Wochen nach einem Steinschlag aus der Riesending-Schachthöhle gerettet wurde. An dem Einsatz waren mehr als 700 Helfer und Helferinnen aus fünf Ländern beteiligt.
Gar mehr als zwei Wochen dauerte es, bis 2018 zwölf Schüler und ihr Fussballcoach aus der plötzlich überfluteten Tham-Luang-Höhle in Thailand gerettet wurden. Unter weltweitem medialen Interesse wurden die Eingeschlossenen von Spezialtauchern aus Grossbritannien und Australien sowie Militärtauchern ins Freie gebracht. (SDA)