Die Corona-Krise ist Millimeterarbeit. Keiner weiss, wie sich die Lockerungen genau auswirken. Fahren auf Sicht – das ist das Motto in allen Ländern, die langsam die Rückkehr zur Normalität wagen wollen.
Deutschland hat vor einer Woche damit begonnen. Geschäfte mit einer Verkaufsfläche von bis zu 800 Quadratmetern dürfen seither unter Auflagen zur Hygiene, zur Steuerung des Zutritts und zur Vermeidung von Warteschlangen wieder öffnen. Im öffentlichen Nahverkehr, aber auch an vielen anderen Orten gilt flächendeckend Maskenpflicht.
Merkel warnte vor steigender Ansteckungskurve
Doch die Lockerungen sind ein Tanz auf dünnem Eis. Das weiss Bundeskanzlerin Angela Merkel (65) genau – als promovierte Physikerin kann sie die Gefahr einer exponentiellen Steigung bestens erklären. «Wir sind jetzt ungefähr beim Reproduktionsfaktor 1. Das bedeutet, ein Corona-Infizierter steckt durchschnittlich eine andere, noch nicht infizierte Person an», erklärte die Kanzlerin bei ihrer Pressekonferenz am 16. April. Doch sollte sich der Faktor auf 1,1 erhöhen, sei das deutsche Gesundheitssystem im Oktober wieder an der Belastungsgrenze. «Bei 1,2 ist das schon im Juli der Fall. Und bei 1,3 im Juni.»
Die Tendenz der Ansteckungskurve vor zwei Wochen: sinkend. Darum die ersten Lockerungen – und die Aussicht auf weitere.
Doch die neusten Zahlen geben Anlass zur Sorge. Nachdem die Reproduktionszahl zwischenzeitlich auf etwa 0,7 gesunken war, stieg sie in den vergangenen Tagen schrittweise an. Am Montag gab das Robert-Koch-Institut (RKI) bekannt: Die Reproduktionszahl ist wieder auf 1,0 gestiegen! Das bedeutet, dass die Zahl der Neuansteckungen nicht mehr leicht zurückgeht, wie es zuvor der Fall war.
«Wir schaffen das, wenn wir uns an bestimmte Regeln halten»
In einem dringenden Appell wandte sich die Behörde am Dienstagmorgen an die Bevölkerung. Die guten Ergebnisse beim Eindämmen der Corona-Pandemie dürften nicht verspielt werden, warnte RKI-Präsident Lothar Wieler. «Wir wollen diesen Erfolg weiter verteidigen, und das schaffen wir auch, wenn wir uns an bestimmte Regeln halten.» Der Reproduktionsfaktor dürfe allerdings nicht allein betrachtet werden. Er könne nur gemeinsam mit anderen Zahlen als Wert dienen.
Am Mittwoch will Bundeskanzlerin Angela Merkel mit den Ministerpräsidenten über weitere Lockerungen in der Corona-Krise sprechen. Es bleibt abzuwarten, wie sich die gestiegene Ansteckungskurve auf die konkreten Massnahmen auswirkt.
So ist die Situation in der Schweiz
In der Schweiz fällt die Reproduktionszahl seit dem 21. März deutlich unter 1,0. Analysen der ETH Zürich deuten daraufhin, dass der Lockdown ab dem 17. März griff. Wie das Bundesamt für Gesundheit am Dienstag mitteilte, verzeichneten die Schweiz und das Fürstentum Liechtenstein bisher insgesamt 29'264 laborbestätigte Fälle.
Innert 24 Stunden sind damit 100 zusätzliche Fälle dazu gekommen. Das sind in etwa gleich viele wie die 103 am Vortag gemeldeten neuen Infektionen. Eine Woche nach Deutschland sind in der Schweiz am Montag die ersten Lockerungen in Kraft getreten.
Das Coronavirus beschäftigt aktuell die ganze Welt und täglich gibt es neue Entwicklungen. Alle aktuellen Informationen rund ums Thema gibt es im Coronavirus-Ticker.
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