Der Islamische Staat (IS) ist auch die Terrorgruppe des Internets. Ohne die sozialen Medien wäre der IS wohl nie so erfolgreich geworden. Im Internet rekrutieren die Dschihadisten neue Kämpfer, stacheln zu Anschlägen an und verbreiten mit blutigen Videos Angst und Schrecken.
Nun dreht eine arabische Reporterin den Spiess um. Mithilfe des Internets will Jenan Moussa (32) einen vermummten Killer enttarnen: einen Franzosen mit dem Kampfnamen Abu Suleyman al Faransi. In einem am Montag veröffentlichten Video erklärt er, wie man mit einem Messer richtig tötet – und demonstriert es gleich, indem er einer Geisel die Kehle durchschneidet.
Moussa bittet ihre über 130’000 Follower auf Twitter, bei der Identifizierung des Schlächters zu helfen. «Es werden so viele Videos mit schrecklichen Verbrechen aus Kriegsgebieten verbreitet. Hoffentlich können wir unser Wissen kombinieren und einige dieser Schurken identifizieren», sagt Moussa zu BLICK. «Eine Million Gehirne können mehr erreichen als eines allein.»
Sie eröffnet die Jagd einen Tag nach der Veröffentlichung des Videos. Dank geleakter IS-Dokumente hat sie herausgefunden, dass es drei IS-Terroristen mit diesem Namen gibt, alle drei Franzosen. Sie veröffentlicht Daten wie Realnamen, Geburtstag und Geburtsort.
Noch am selben Tag ein Teilerfolg: Aufgrund eines Hinweises kommt aus, dass einer der Verdächtigen, Charaf el Mouadan, tot ist. Er kann nicht der Schlächter im Video sein.
Eine Twitter-Abonnentin bearbeitet das Foto, um die Identifizierung zu erleichtern.
Einen Tag später erhält Moussa dank einer weiteren Quelle das Bild eines zweiten Suleyman al Faransi, mit bürgerlichem Namen Nasri Rizky. Ein Fotovergleich zeigt: Auch er ist nicht der Schlächter.
Übrig bleibt noch einer: Salah Osama, ein ehemaliger Soldat der französischen Armee. Nun hofft Jenan Moussa auf ein Foto von ihm. «Auch wenn wir die beiden anderen ausschliessen können, wir können nicht sicher sein, dass er es ist, wenn wir kein Bild von ihm haben», sagt die Journalistin zu BLICK. «Ich hoffe, dass meine Nachricht jemanden erreicht, der ihn kennt. Der vielleicht mit ihm zur Schule ging oder mal mit ihm zusammengearbeitet hat.»
«Die Drohungen beunruhigen mich»
Sollte es ihr gelingen, den Schlächter aus dem Video zu enttarnen, wäre das ein einmaliger Erfolg und ein schwerer Schlag für den IS. Der Terrorist wäre exponiert und könnte ins Visier der Anti-IS-Allianz geraten. Ausserdem könnte der Fall Schule machen, so dass sich die Terroristen im Internet zurückhaltender verhalten müssten.
Mit der Jagd wird Moussa selbst zur Zielscheibe der Terroristen. «Ich bekomme viele Drohungen. Einige auf der Strasse, eine Menge in den sozialen Medien», sagt sie. Deshalb habe sie «einige Vorsichtsmassnahmen» getroffen. Näher darauf eingehen will sie nicht. «Die Drohungen beunruhigen mich. Aber bis jetzt halten sie mich nicht davon ab, meinen Job zu machen.»
Sie lehrt die Terroristen das Fürchten
Mit Gefahren ist Moussa, die im Libanon geboren wurde, vertraut. Moussa, die für den TV-Sender Al Aan in Dubai arbeitet, ist eine der prominentesten Kriegsreporterinnen im arabischen Raum und hat einen bemerkenswerten Werdegang hinter sich. Mehrere ihrer Storys wurden von internationalen Medien wie Reuters, BBC oder ABC aufgenommen.
Zuerst berichtete Moussa von den Aufständen in Ägypten. Danach erlebte sie den Ausbruch des libyschen Bürgerkrieges mit und stand schliesslich wenige Zentimeter neben der Leiche des gefallenen Diktators Muammar al-Gaddafi. Nun berichtet sie regelmässig aus dem Bürgerkrieg in Syrien, zuletzt aus dem Bombenhagel in Aleppo. Und jetzt lehrt sie Terroristen das Fürchten.