Das Pilgern auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela war 2016 besonders beliebt. 278’041 Pilger haben den Zielort erreicht. Das ist Rekord.
Die meisten Pilger stammten aus Spanien (214’256), Italien (23’951) und Deutschland (21’226). Aus der Schweiz registrierte das Pilgerbüro in Compostela 203 Personen, die am Ziel angelangt waren.
Um die «Compostela-Urkunde» zu erhalten, muss der Pilger durch Stempel in seinem Pilgerausweis nachweisen, dass er mindestens die letzten 100 Kilometer bis Santiago zu Fuss oder die letzten 200 Kilometer mit dem Velo zurückgelegt hat.
Dem Pilgerbüro zufolge sind in den Sommermonaten die Quartiere entlang des Jakobsweges oft ausgebucht. Für die Urkunde mussten die Pilger bis zu zwei Stunden anstehen. Immer mehr weichen daher auf den Herbst aus.
Ein Weg, der erdet
In der Schweiz stehen den Pilgern mehrere Vereine zur Seite. Darunter der Dachverband Jakobsweg Schweiz und der Verein Jakobsweg.ch. Für dessen Präsidenten Walter Wilhelm (50) ist die grosse Nachfrage ein «Phänomen». Er erklärt die Faszination des Pilgerns: «Wir leben in einer Zeit, in der sich das Rad immer schneller dreht. Immer mehr Menschen haben die Sehnsucht, zur Ruhe zu kommen und Kraft zu tanken. Der Jakobsweg ist ein Weg, der erdet.»
Speziell für den Jakobsweg gelte, dass man viele Leute mit dem gleichen Ziel treffe. Wilhelm: «Man spricht nur ein paar Worte miteinander, und schon ist man mitten in einer Lebensgeschichte drin.» Oft brechen die Leute wegen einer Veränderung im Leben los: Stellenverlust, Todesfall, Eintritt in den Ruhestand, Schicksalsschläge mit Partner oder Kindern.
In Abschnitten ans Ziel
Walter Wilhelm ist Pfarrer in der evangelisch-methodistischen Kirche in Birsfelden BL. Er selber pilgerte zwischen 2004 und 2010 in Abschnitten nach Compostela. Der Grund: «Ich stand vor einem Stellenwechsel.» Für den gesamten Weg von der Schweiz braucht man rund drei Monate.
Das Interesse für den Jakobsweg begann in den 1980er-Jahren und steigerte sich enorm, als er 1993 ins Unesco-Welterbe aufgenommen wurde. Zu dieser Zeit wurde er auch ausgeschildert.
Der Hape-Kerkeling-Effekt
Ebenfalls zum Erfolg beigetragen haben die vielen Bücher. So schrieb 2006 der deutsche Entertainer Hape Kerkeling (52) das Buch «Ich bin dann mal weg». Es verkaufte sich elf Millionen Mal und löste den «Kerkeling-Effekt» aus: Die Zahl der deutschen Pilger stieg in einem Jahr um 70 Prozent. 2015 folgte die Verfilmung.
Der Legende zufolge soll Jakobus als Apostel nach der Himmelfahrt Jesu auf der Iberischen Halbinsel gepredigt haben. Nach seiner Rückkehr nach Jerusalem soll er im Jahr 44 enthauptet worden sein. Seinen Leichnam sollen seine Anhänger mit einem Schiff wieder nach Galizien gebracht haben. Sein Grab geriet in Vergessenheit, doch nach dessen Wiederentdeckung im 9. Jahrhundert wurde darüber eine Kapelle, später eine Kirche und schliesslich die Kathedrale errichtet.
Pilgern ist ursprünglich eine katholische Tradition. Heute machen es alle. Anfängern empfiehlt Wilhelm: «Auf seinen Körper hören. Sich nicht zu viel vornehmen und keinen Zeitdruck aufsetzen.» Es habe überall Herbergen und andere Unterkunftsmöglichkeiten. Walter Wilhelm beteuert: «Pilgern ist ganz einfach!»
Am 20. Mai organisiert der Dachverband Jakobsweg Schweiz ein Schnupperpilgern durch die Schweiz. www.jakobsweg-dachverband.ch