Matteo Salvini (46) ist auch in diesen Tagen ein Italiener zum Anfassen. Stolz auf seinen Bierbauch. «Hoch die Tassen!» an den Beachpartys. Paddeln im Kanu. Knuddeln mit Kindern. Alles auf Selfies – und ab ins Netz.
Der Lega-König ganz nah macht all das, was auch «sein Volk» während der laufenden Ferien macht. Die Lega-Fans sind begeistert. Es ist das Bad in der Menge, das der Innenminister und Vizepremier antreibt. Matteo Salvini scheint sich sicher: Die Italiener wollen ihn – und zwar sofort.
Wieder einmal Zoff mit dem Koalitionspartner
Die Tour durch Sizilien ist keine Urlaubsreise. Es ist knallharter Wahlkampf. Mit dem ungleichen politischen Partner der Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) gibt es wieder einmal Zoff. Die bremsen nämlich den Bau der Schnellbahnstrecke TAV zwischen Turin und Lyon (F). Für Matteo Salvini die Gelegenheit zum «Sommerputsch».
Bei Sole und Mare fordert er am vergangenen Donnerstag ein Misstrauensvotum gegen Premier Giuseppe Conte (55). Gut für die Lega – so glaubt der Rechtspopulist –, die seit Regierungsantritt vor 14 Monaten auf einer Erfolgswelle reitet. Der neue Mann an der Spitze Italiens steht für den Lega-Star natürlich auch schon fest: Matteo Salvini.
Abgeordnete sind alle in den Ferien
Doch so einfach ist das nicht. Nicht alle Italiener wollen Matteo Salvini – und schon gar nicht seine politischen Gegner und Noch-Partner. Für ein Misstrauensvotum braucht es eine Mehrheit im Parlament. Doch die hat die Lega nicht. Die meisten Abgeordneten sind im Urlaub. Und die heisst es nun, erst einmal zusammenzutrommeln.
Hastig stecken einstige Gegner die Köpfe zusammen, hecken mögliche Koalitionen aus, nur, um Salvini an der Machtübernahme zu hindern. So schliesst der Sozialdemokrat und Ex-Premier Matteo Renzi (44) ein Bündnis mit der Fünf-Sterne-Bewegung nicht mehr aus. Staatssekretär Nicola Zingaretti (53) wiederum hält nichts von einer Koalition mit den Linkspopulisten. Noch. Deren Gründer und Polit-Clown Beppe Grillo betritt wieder die Bühne. Sein flammender Appell: «Lasst uns Italien vor den neuen Barbaren retten.»
Es herrsche beim Italiener ein gewisser Überdruss, warnt Wahlforscherin Alessandra Ghisleri im «Il Messaggero». 36 Prozent der Wähler haben die Nase voll vom ewigen Zwist zwischen den Koalitionspartnern. Sie könnten sich auch gegen den Streithahn der Lega wenden.
Salvini will Berlusconi ins Boot holen
Matteo Salvini sieht seine Badetücher davonschwimmen. Darum greift er schnell nach neuen Partnern, umschmeichelt etwa Silvio Berlusconi (82). Zusammen mit dessen Forza Italia und den Neofaschisten Fratelli d'Italia erhofft er sich eine Mehrheit bei Neuwahlen.
Doch nichts geht ohne den allmächtigen Präsidenten. Sergio Mattarella (78) muss einer möglichen Kabinettsauflösung zustimmen. Er kann eine Übergangsregierung einsetzen.
Zwei grosse Regierungsaufgaben brennen unter den Nägeln: Die von der M5S geforderte Reduzierung der Abgeordnetensitze und den von der EU geforderten Haushaltsplan. Für beide Entscheidungen braucht es eine intakte Regierung.
Anfang Woche beraten die Fraktionsvorsitzenden im Senat und in der ersten Kammer des Parlaments über die Regierungskrise. Erst danach wird man wissen, wie Italiens Sommernachtsalbtraum weitergeht.