Das Brückendrama von Genua erschüttert Italien auch politisch. Es gilt als Bewährungsprobe für die junge Regierung, die sich aus Vertretern der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung («MoVimento 5 Stelle», kurz M5S), der rechten Lega sowie aus parteilosen Vertretern zusammensetzt.
Schnell waren daher die Minister zur Stelle, um auf den Schuldigen zu zeigen und eine schonungslose Aufarbeitung des Unglücks zu fordern. Allen Kritikern voran stehen die Köpfe der Cinque-Stelle-Bewegung, die bei den Wahlen vom 4. März mit knapp 33 Prozent aller Stimmen zur mit Abstand grössten Partei Italiens avancierte.
Bis 150 Millionen Euro Busse gefordert
M5S-Verkehrsminister Danilo Toninelli (44) übte scharfe Kritik an der Betreiberin der Brücke: «Die Autostrade per l’Italia waren nicht in der Lage, die Verpflichtungen aus dem Vertrag zur Verwaltung der Infrastruktur zu erfüllen. Als Erstes muss das Topmanagement zurücktreten.» Er forderte den Entzug der Lizenz zum Betrieb der Strasse sowie eine Busse von bis zu 150 Millionen Euro.
Auch Fünf-Sterne-Parteipräsident und Vize-Regierungschef Luigi Di Maio (32) sparte nicht mit Kritik: «Die Verantwortlichen haben einen Namen und einen Vornamen, und es sind Autostrade per l’Italia.»
Partei wehrte sich gegen Umfahrung
Was die beiden Minister offenbar vergessen haben: Ausgerechnet ihre Partei hatte sich gegen die Baupläne einer Umfahrung gewehrt, welche die Brücke entlasten sollte. Als nämlich der Industrieverband Confindustria Genova schon 2012 vor einem Brückenkollaps innerhalb von zehn Jahren warnte, tat Cinque-Stelle-Gründer Beppe Grillo (70) diese Alarmzeichen als Hirngespinst ab. Auf seinem Blog schrieb der damalige Parteipräsident: «Sie erzählen uns das Märchen des einstürzenden Ponte Morandi.»
Grillo wurde gegen die Befürworter der Umfahrung sogar ausfällig. 2014 schrie er an einer Veranstaltung voller Hass ins Mikrofon: «Wir müssen sie mit der Armee aufhalten!»
Auch der M5S-Abgeordnete Massimo Baroni (45) wehrte sich in einem Tweet gegen den Neubau: «Nein zu allen unnötigen Projekten, wenn man doch bestehende Werke sichern kann.»
Projekt Gronda in weiter Ferne
Die 1967 eingeweihte Brücke hatte von Anfang an für Probleme gesorgt, da sich die Stützen senkten und die Fahrbahn Stufen aufwies. 30 Jahre lang wurde über eine Alternative gebrütet.
2004 endlich einigten sich die regionalen und nationalen Behörden auf die Entlastungsstrasse mit dem Spitznamen Gronda, was Regenrinne bedeutet. Die neue 61 Kilometer lange Route sollte oberhalb der Stadt und der bisherigen Strecke den Berg entlang führen und 80 Prozent der Lastwagen und die Hälfte der Autos umleiten. Die Morandi-Brücke, über die zuletzt bis 25’000 Lastwagen täglich fuhren, wäre enorm entlastet worden.
Noch liegt das vier Milliarden teure Strassenprojekt in weiter Ferne, da die Detailplanung wegen der Gegenwehr erst jetzt in Angriff genommen werden kann. Das Märchen, über das die M5S gespottet hatte, ist inzwischen leider wahr geworden.