Regel-Wahnsinn in der EU
Sind Ferienfotos bald strafbar?

Künstler und Architekten könnten uns künftig wegen harmloser Ferienschnappschüsse zur Kasse bitten – falls ein Reformvorschlag von der EU abgesegnet wird.
Publiziert: 28.06.2015 um 22:08 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 19:14 Uhr
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«Panoramafreiheit in Gefahr»: Wikipedia warnt auf seiner Homepage vor der Urheberrechtsreform. Im Bild: Elbphilharmonie in Hamburg.
Foto: Wikipedia

Ein Selfie vor dem Eiffelturm oder dem Brandenburger Tor auf Facebook stellen – das könnte bald problematisch werden. Am 9. Juli stimmt das EU-Parlament über einen Vorschlag zur Urheberrechtsreform ab, der weitreichende Folgen haben könnte.

Bis anhin war es in den meisten Ländern Europas dank der sogenannten Pano­ramafreiheit kein Problem, Fotos von öffentlichen Gebäuden oder Plätzen zu schiessen und ins Internet zu stellen. Einzige Voraussetzung: Das Bild ist von einem öffentlichen Ort aus geknipst.

Fotos nur mit Einwilligung der Urheber

Der Reformvorschlag will dies nun ändern. Demnach soll die «gewerbliche Nutzung von Fotografien, Videomaterial oder anderen Abbildungen von Werken, die dauerhaft an physischen öffentlichen Orten platziert sind» künftig immer an die «vorherige Einwilligung der Urheber oder sonstiger Bevollmächtigten» geknüpft sein.

Dazu zählen nicht nur Werke der Zeit- oder Kunstgeschichte wie der Eiffelturm oder des Brandenburger Tor, auch private Gebäude können betroffen sein. Nach dem Tod des Urhebers geht das Urheberrecht auf den oder die Erben über. In Deutschland erlischt es beispielsweise 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers.

Auch Portale wie Wikipedia betroffen

Stimmt das EU-Parlament der Änderung zu, müsste in Zukunft also jeder, der ein Foto posten will, vorher klären, ob darauf rechtlich geschützte Kunstwerke, Statuen oder Gebäudefassaden abgebildet sind. Und falls ja, den jeweiligen Urheber um Genehmigung bitten.

Konsequenzen hätte die neue Regelung aber nicht nur für Privatpersonen, sondern auch für Internetportale wie etwa Wikipedia. Diese müssten nämlich einen Löwenanteil ihrer Bilder entweder komplett entfernen oder teilweise zensieren.

In einer Initiative ruft Wikipedia seine Nutzer deshalb zur Verteidigung der Panoramafreiheit auf: «Es ist höchste Zeit zum Handeln, da die Abstimmung des Europäischen Parlaments über den Bericht bereits am 9. Juli erfolgen soll. Daher: Kontaktiert die Europaabgeordneten – per E-Mail, per Telefon oder per Brief», heisst es auf der Webseite.

«In der Schweiz unumstritten»

Die Schweiz wäre von der EU-Urheberrechtsreform wohl nicht betroffen. Der auf Internetrecht spezialisierte Zürcher Rechtsanwalt Martin Steiger (36) sagt: «In der Schweiz haben wir ein von der EU unabhängiges Urheberrecht. Während die Panoramafreiheit in der EU nicht einheitlich geregelt ist, gilt sie bei uns als unumstritten.»

In der Schweiz werde daher mit hoher Wahrscheinlichkeit alles beim alten bleiben – egal, was das EU-Parlament entscheidet. Aber: Innerhalb der EU würde die neue Regelung natürlich auch für uns Schweizer gelten. (gr)

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