Das Mittelmeer wird zum Massengrab. Rund 20 000 Flüchtlinge sind bei der Überfahrt nach Europa schon ertrunken. Bei einem einzigen Unglück am Wochenende kamen gegen 950 Menschen um – sechsmal mehr als beim Absturz der Germanwings-Maschine. Die Schlepper hatten viele im Laderaum eingesperrt. Sie hatten keine Chance.
Gestern erneut Alarm: Ein Boot mit 300 Menschen setzte Notsignale ab, mindestens 20 Flüchtlinge waren offenbar an Bord gestorben. Zudem zerschellte vor einem Strand der griechischen Touristeninsel Rhodos ein Schiff, mindestens drei Menschen starben.
Handelsschiffe eilen zu Hilfe. Sie haben vergangenes Jahr rund 40 000 Flüchtlinge gerettet.Allein die Angestellten der kleinen Hamburger Reederei Christopher E. O. Opielok bargen seit Dezember bei über einem Dutzend Einsätzen 1500 Flüchtlinge. Vielen konnten sie nicht mehr helfen. Opielok sagte gestern zur Deutschen Presse-Agentur: «Unsere Besatzungen sehen die Menschen sterben. Sie ertrinken vor unseren Augen oder erfrieren an Bord.» Manche innerhalb von Minuten, nachdem sie aus dem Wasser gezogen wurden.
Opieloks Flotte umfasst fünf Schiffe. Zwei versorgen vor Libyen Öl- und Gasplattformen mit Betriebsmaterial. Sie seien für Rettungseinsätze nicht eingerichtet.
Seine Schiffe fahren mit zwölf Mann Besatzung und nehmen teilweise mehrere Hundert Flüchtlinge auf. Es fehle an Platz, Sanitäreinrichtungen, Proviant und Medizin.
Das macht den Seeleuten nicht nur psychisch zu schaffen. Es drückt auch aufs Geschäft, das wegen des Verfalls des Ölpreises sowieso harzt. Opielok: «Viele Seeleute sind am Ende ihrer Kraft und suchen sich einen anderen Job.» Kapitäne sind verpflichtet, bei Seenot zu helfen. Das nutzen die Schlepper aus. «Sie steuern die Boote gezielt in den dichten Schiffsverkehr vor den Öl- und Gasfeldern», sagt Opielok.
Auch ein Schweizer Schiff war in eine dramatische Rettungsaktion involviert: Am 6. November 2014 nahm der Chemikalientanker MCT Breithorn 103 Schiffbrüchige auf. Es ist bisher die einzige Rettungsaktion mit einem Schweizer Schiff, wie das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) mitteilt.
Die Schweizer Reeder wären bereit. EDA-Pressesprecherin Ursina Schmitz: «Sie haben inzwischen einzelne Massnahmen getroffen, um Aufgenommene kurzfristig versorgen zu können.»