Der 53-jährige erwerbslose Mann deutscher Staatsangehörigkeit stehe im dringenden Verdacht, «seit August 2018 unter dem Synonym «NSU 2.0» bundesweit eine Serie von Drohschreiben mit volksverhetzenden, beleidigenden und drohenden Inhalten verschickt zu haben».
Empfänger waren überwiegend Personen des öffentlichen Lebens, vor allem aus der Medienwelt und der Politik, darunter auch Abgeordnete des Hessischen Landtags und des deutschen Bundestags. Heikel war der Fall auch deswegen, weil der oder die Täter sich offenbar Insiderwissen der Polizei zunutze machen konnten.
Der Verdächtige sei bereits in der Vergangenheit wegen zahlreicher - unter anderem auch rechtsmotivierter - Straftaten rechtskräftig verurteilt worden, hiess es in der Mitteilung weiter. Die bei der Durchsuchung am Montag sichergestellten Datenträger würden nun ausgewertet.
Zudem werde unter anderem wegen des Verdachts der Volksverhetzung, des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, der Bedrohung sowie der Beleidigung ermittelt.
Mitte März hatte der hessische Innenminister Peter Beuth von insgesamt 133 verschickten Drohschreiben berichtet. Dabei rechneten die Ermittler 115 dieser Schreiben dem Tatkomplex «NSU 2.0» zu. 18 Schreiben seien mutmasslich von Trittbrettfahrern verfasst und versendet worden.
Im Juli 2020 war der hessische Landespolizeipräsident Udo Münch wegen der Affäre um die Drohmails zurückgetreten. Die Adressen der Opfer stammten aus Polizeicomputern.
Als NSU (Nationalsozialistischer Untergrund) hatten sich die Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt bezeichnet, die zwischen 2000 und 2007 in Deutschland zehn Menschen ermordeten. Die Opfer waren acht türkischstämmige und ein griechischstämmiger Kleinunternehmer sowie eine Polizistin. Die Mittäterin Beate Zschäpe wurde 2018 zu lebenslanger Haft verurteilt.
Die rechtsextreme Terrorzelle war 2011 aufgeflogen. Mundlos und Böhnhardt nahmen sich selbst das Leben, nachdem sie von der Polizei entdeckt worden waren, Zschäpe stellte sich.
(SDA)