Der Gouverneur Kaliforniens hat den wohl schwierigsten Polit-Job Amerikas. Immer wieder heftige Waldbrände, Erdbeben, Stromausfälle, soziale Unruhen und eine Obdachlosigkeit, die im Land ihresgleichen sucht. Gefühlt jede Woche kommt eine neue Herausforderung auf den höchsten Kalifornier hinzu – und die rund 40 Millionen oft verwöhnten Menschen im «Golden State» sind schwierig zufriedenzustellen.
Seit rund einem Jahr grassiert das Coronavirus in Kalifornien – und macht so den Job als Gouverneur nur noch schwieriger. Amtsinhaber Gavin Newsom (53) handelte im vergangenen März schnell: Als einer der ersten Bundesstaaten erlässt Kalifornien einen Lockdown. Die Massnahmen wurden danach immer wieder gelockert und verschärft – insgesamt drei Lockdowns hat Kalifornien mittlerweile hinter sich.
Für den Demokraten Gavin Newsom wird die politische Lage nun immer ungemütlicher. Im Frühling noch der umjubelte Held, ist er heute längst zu einer Hassfigur für viele Republikaner geworden. Sie kritisieren Newsoms strenge Corona-Massnahmen und machen ihn für die Konkurse zahlreicher Restaurants und Läden verantwortlich. Auch nicht geholfen hat da der Skandal vom November, als Newsom während des Lockdowns mit seiner Ehefrau an einer Wein-Party teilnahm – mit mehreren Personen am gleichen Tisch.
Newsom droht die Absetzung – Erinnerungen an Schwarzenegger
Jetzt machen die Kritiker so richtig ernst. Sie wollen den Gouverneur frühzeitig absetzen – mit einem sogenannten «Recall». Newsom, der eigentlich noch bis im Januar 2023 gewählt ist, droht somit der Rückruf!
In insgesamt 19 US-Bundesstaaten ist dies möglich, in Kalifornien werden dafür in einem ersten Schritt 1,5 Millionen Unterschriften benötigt. Dann kommt es zu einem neuen Wahlgang, wo das Volk über die Absetzung des Gouverneurs abstimmen kann.
Ein erfolgreicher «Recall» ist allerdings höchst selten. In Kalifornien wurde bislang erst ein Gouverneur abgesetzt: Demokrat Gray Davis (78) im Jahr 2003, der durch niemand geringeres als den «Terminator» Arnold Schwarzenegger (73) ersetzt wurde.
Unbeliebter Ex-Bürgermeister will Newsom beerben
Die jetzige Unterschriftensammlung gegen Gavin Newsom geht zügig voran, wie die Initianten am Montag vermeldeten. Bereits über 1,2 Millionen Kalifornier sollen ihren Namen unter einen solchen Zettel gesetzt haben. Die Hürde von 1,5 Millionen Unterschriften bis Mitte März dürfte laut Ansicht von Beobachtern locker erreicht werden.
«Die Menschen werden laut und deutlich gehört. Es ist nicht eine Frage, ob wir unser Ziel erreichen, sondern wann wir die 1,5 Millionen Unterschriften beisammen haben», sagte Orrin Heatlie, Mit-Initiant der Petition, in einer Erklärung.
Falls dies tatsächlich gelingt, könnte es gegen Ende des Jahres zu einem vorgezogenen Wahlgang kommen. Und für die Republikaner bringt sich da ausgerechnet Kevin Faulconer (54) in Stellung. Der ehemalige Bürgermeister von San Diego hat bereits angekündigt, gegen Newsom zu kandidieren. «Es ist ein neues Jahr. Wir brauchen einen neuen Gouverneur», schrieb er auf Twitter.
Die Ironie dabei: Faulconer hat erst im November das Amt des Bürgermeisters von San Diego kampflos einem Demokraten überlassen, weil er in der Stadt so unbeliebt war wie kaum jemand vor ihm.
Newsom hebt Lockdown auf – wegen Druck?
Gavin Newsom derweil gibt sich öffentlich gelassen über die Möglichkeit eines frühzeitigen Wahlgangs. Am Montag hat er nach knapp zwei Monaten die strikten Corona-Auflagen in Kalifornien gelockert. Bedeutet: Restaurants, die seit Dezember nur Essen zum Abholen anbieten konnten, dürfen jetzt wieder draussen bewirten. Viele Geschäfte, darunter Coiffeure und Kosmetiksalons, können mit entsprechenden Vorsichtsmassnahmen und begrenzter Kundenanzahl wieder öffnen. Die nächtliche Ausgangsbeschränkung zwischen 22 und 5 Uhr wird ebenfalls aufgehoben.
Newsoms Kritiker deuten diese Corona-Lockerungen als Zeichen des politischen Drucks. Tatsächlich wirft der Schritt Fragen auf: Obwohl die Infektionszahlen in den vergangenen Wochen leicht gesunken sind, gibt es in Südkalifornien nach wie vor keine freien Intensivbetten.
Öffentlich will sich der Gouverneur nicht zur politischen Schlammschlacht äussern. In seiner gewohnt ruhigen Manier sprach Newsom am Montag vom «Licht am Ende des Tunnels». Trotz den Lockerungen rief er die Bevölkerung dazu auf, weiterhin zu Hause zu bleiben.