Rebellische Myanmar-Diplomaten bitten Bern um Asyl
«Wir haben nicht mal mehr Pässe»

Myanmarische Diplomatinnen und Diplomaten in Genf verweigern der Militärjunta den Befehl. Die ranghohen Gesandten fürchten eine Verhaftung.
Publiziert: 04.07.2021 um 15:30 Uhr
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Aktualisiert: 05.07.2021 um 16:05 Uhr
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Der Drei-Finger-Gruss (stammt aus «Tribute von Panem») als Zeichen des Widerstands: Khin Chan Myae, Kyaw Kyaw Lwin, Khaing Sandi Win Min, Htwe Tra Nandi (von links) in Bern.
Foto: zVg
Fabienne Kinzelmann

Der Widerstand gegen das Militärregime in Myanmar (früher Burma) erreicht die Schweiz. Vier in Genf stationierte Diplomatinnen und Diplomaten des südostasiatischen 53-Millionen-Einwohner-Staates denken nicht daran, Junta-Chef Min Aung Hlaing (65) zu gehorchen. Nun bitten sie Bern um Hilfe.

«Wir können keine Regierung vertreten, die ihre eigenen Leute tötet», sagt Khaing Sandi Win Min (30), bislang First Secretary in Myanmars ständiger Vertretung bei den Vereinten Nationen in Genf, zu SonntagsBlick. Am Montag hat sie mit Htwe Tra Nandi (32, First Secretary), Khin Chan Myae (29, Second Secretary) und Kyaw Kyaw Lwin (48, Third Secretary) den Asylprozess gestartet. «Die Schweiz ist ein Land, das die Menschenrechte respektiert. Wir hoffen, dass sie uns unterstützt.»

Das Staatssekretariat für Migration war gestern nicht für eine Stellungnahme erreichbar.

«Sie haben uns sofort die Schlüssel weggenommen»

Am 1. Februar hatte General Min Aung Hlaing das Parlament aufgelöst, den Ausnahmezustand verhängt und die demokratisch gewählte Regierungschefin Aung San Suu Kyi (76) in der Hauptstadt Naypyidaw verhaftet. Gegen Demokratie-Kundgebungen gehen die Militärs mit Gewalt vor.

Am 5. März erklärten die rebellischen vier in Genf ihren Beitritt zur nationalen Widerstandsbewegung CDM. Acht weitere Diplomaten in der myanmarischen Vertretung stehen zur Militärregierung. «Unsere Botschaftskollegen haben uns sofort die Schlüssel weggenommen», erzählt Kyaw Kyaw Lwin, der seit Oktober 2018 in der Schweiz lebt.

Am 10. März erhielt das Quartett den Befehl zurückzukehren. Doch daran denken sie überhaupt nicht. Mit ihnen befinden sich 17 weitere Gesandte in insgesamt sieben Ländern (Schweiz, USA, Kanada, Japan, Deutschland, Israel und Frankreich) im Widerstand. Die Militärjunta tobt.

Schweiz hat Sanktionen gegen Myanmar verschärft

«Es ist sehr wahrscheinlich, dass wir verhaftet oder angeklagt werden, wenn wir zurückkehren», sagt Htwe Tra Nandi. «Unsere Pässe wurden uns bereits entzogen und wir haben nur noch unsere Diplomatenpässe. Das bedeutet, wir können nirgends mehr hinreisen.»

Die vier stehen nach eigenen Angaben im engen Austausch mit dem EDA. Die Schweiz ist Myanmar eng verbunden, sie eröffnete als erstes westliches Land nach der «demokratischen Wende» 2012 eine Botschaft im Land. Seit dem Militärputsch verschärfte die Schweiz Güter-, Finanz- und Reisesanktionen bereits mehrfach. «Es braucht so viel Druck wie möglich», fordert Khin Chan Myae. «Unsere Demokratie muss wiederhergestellt werden.»

Die vier Rebellen sind optimistisch. Und hoffen bis dahin, dass sie schnell Asyl in der Schweiz bekommen – mit den Botschaftsposten sind schliesslich auch Gehälter und Versicherungen bereits seit Monaten sistiert.

Todeswünsche zum Geburtstag

Begleitet von Protesten, hat Junta-Chef und General Min Aung Hlaing am Samstag seinen 65. Geburtstag begangen. Für den Gewaltherrscher gabs spezielle «Glückwünsche»: Protestierende verbrannten Fotos und falsche Särge. «Möge dein Geburtstag und Todestag derselbe sein», stand auf Trauerkränzen. «Wir wünschen ihm den Tod, möge seine Seele zur Hölle fahren», sagte ein Protestierender. Nach Angaben der Gefangenen-Hilfsorganisation AAPP wurden bei den Demokratie-Kundgebungen seit Februar 6400 Menschen verhaftet und 880 getötet.

AFP

Begleitet von Protesten, hat Junta-Chef und General Min Aung Hlaing am Samstag seinen 65. Geburtstag begangen. Für den Gewaltherrscher gabs spezielle «Glückwünsche»: Protestierende verbrannten Fotos und falsche Särge. «Möge dein Geburtstag und Todestag derselbe sein», stand auf Trauerkränzen. «Wir wünschen ihm den Tod, möge seine Seele zur Hölle fahren», sagte ein Protestierender. Nach Angaben der Gefangenen-Hilfsorganisation AAPP wurden bei den Demokratie-Kundgebungen seit Februar 6400 Menschen verhaftet und 880 getötet.

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