Hunderte Diplomaten verlieren ihre Stelle
Streit zwischen Russland und dem Westen spitzt sich zu

Russland weist Diplomaten aus diversen Ländern aus, unter anderem Deutschland. Dies als Reaktion, weil russische Diplomaten dasselbe Schicksal erlitten. Ausgerechnet die USA zeigen sich nun kompromissbereit.
Publiziert: 30.03.2018 um 23:41 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2018 um 03:05 Uhr

Russland weist 60 US-Diplomaten aus. Der Grund: der Giftanschlag auf den russischen Ex-Agenten Sergej Skripal. Und: Der russische Aussenminister Sergej Lawrow kündigte am Donnerstagabend die Schliessung des US-Konsulates in St. Petersburg an.

27 Staaten haben russische Diplomaten ausgewiesen

Der tagelang erwartete russische Schritt ist die Reaktion darauf, dass rund 27 Staaten sowie die Nato mehr als 140 russische Diplomaten ausgewiesen haben – zuletzt am Donnerstag Georgien. Besonders scharf hatten die USA reagiert: 60 Diplomaten wurden ausgewiesen, und das russische Konsulat in Seattle muss geschlossen werden.

Russland wehrt sich: Nebst den USA werden Diplomaten diverser Länder ausgewiesen. Deutschland muss - ebenso wie Polen - innerhalb einer Woche vier Diplomaten abziehen, Finnland und Lettland verlieren den jeweiligen Aussenministerien zufolge je einen Diplomaten in Moskau.

23 Botschafter einbestellt

Drei litauische tschechische sowie jeweils zwei italienische und niederländische Diplomaten müssen ebenfalls gehen.

Grossbritannien derweil habe einen Monat Zeit, um die Zahl der Mitarbeiter zu reduzieren, hiess es aus Moskau. Sie solle dann der Zahl der russischen Botschaftsmitarbeiter in London entsprechen. Insgesamt bestellte Moskau am Freitag die Botschafter aus 23 Ländern ein.

Russland wolle aber weiterhin offen für gute Beziehungen zu den Ländern sein, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow: «Wir haben den diplomatischen Krieg nicht begonnen».

USA kompromissbereit

«Russland soll sich nicht wie ein Opfer aufführen», sagte Heather Nauert, Sprecherin des US-Aussenministeriums zur Reaktion des Kremls. Russland habe beschlossen, sich weiter zu isolieren. Welche Folgen dies haben werde, werde nun besprochen. «Wir schauen uns die Optionen an», sagt Nauert kurz und knapp.

Kurz darauf liess man verlauten, dass Russland seine ausgewiesenen Diplomaten ersetzen könne. «Die USA haben 48 russische Geheimdienstoffiziere ausgewiesen, aber sie verlangen nicht von der russischen Vertretung, die Gesamtzahl ihres Personals zu reduzieren», sagte ein Vertreter des US-Aussenministeriums am Freitag der Nachrichtenagentur AFP in Washington. Die russische Regierung könne frei entscheiden, wen sie auf die frei gewordenen Posten setze.

«Russland hat beschlossen, sich weiter zu isolieren», kommentierte Heather Nauert die Reaktion in Moskau.
Foto: Alex Brandon

Giftgasangriff am Anfang

Anlass der Diplomaten-Affäre ist der Giftangriff auf den russischen Ex-Agenten Sergej Skripal und dessen Tochter Julia in der südenglischen Kleinstadt Salisbury. Beide waren am 4. März bewusstlos auf einer Parkbank in der Innenstadt entdeckt worden. Grossbritannien macht Russland für die Attacke verantwortlich, weil angeblich der zu Sowjetzeiten entwickelte chemische Kampfstoff Nowitschok eingesetzt wurde. Moskau weist die Anschuldigungen zurück und verurteilt sie als anti-russische Kampagne.

Fast vier Wochen nach dem Giftanschlag hoffen Ermittler nun auf Aussagen seiner Tochter Julia. Möglicherweise könnte sie etwa Auskunft darüber geben, ob sie und ihr Vater vor dem Attentat verfolgt wurden, berichteten britische Medien am Freitag.

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Sergej Skripal ist nicht mehr im kritischen Zustand, wie seine Ärzte am Freitag mitteilten.
Foto: EPA

Keine Beweise gegen Moskau

Im Fall des Giftanschlags schaukelt sich der Streit seit Tagen immer höher. Doch das harte Vorgehen mit der Ausweisung von Diplomaten ist auch in der EU umstritten. Russland verweist darauf, dass London keine konkreten Beweise gegen Moskau vorgelegt habe. Mehrere EU-Staaten, darunter Österreich, Luxemburg und Griechenland, haben sich nicht an der Aktion beteiligt und argumentieren ebenfalls mit der unklaren Beweislage.

UNO-Generalsekretär warnt von neuem Kalten Krieg

Angesichts wachsender Spannungen zwischen Russland und der westlichen Welt warnte Uno-Generalsekretär António Guterres vor einer Art neuem Kalten Krieg. Vorsichtsmassnahmen wie damals seien wieder notwendig, sagte Guterres am Donnerstag in New York.

Die Situation besorge ihn sehr. Sie sei «in vielen Hinsichten ähnlich dem, was wir im Kalten Krieg erlebt haben» und bedürfe «Kommunikationsmechanismen und Kontrolle, um Eskalation zu verhindern und sicherzustellen, dass die Dinge nicht ausser Kontrolle geraten, wenn die Spannungen zunehmen», sagte Guterres. «Diese Mechanismen wurden abgebaut, weil die Menschen dachten, der Kalte Krieg wäre beendet.»

Während des Kalten Krieges zwischen dem Ende des Zweiten Weltkriegs und 1989 gab es beispielsweise eine spezielle Telefonverbindung zwischen Washington und Moskau. (SDA)

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