Als dritte Raumfahrtnation nach den USA und der Sowjetunion hat China erstmals Mondgestein zur Erde gebracht. Nach der unbemannten Mondmission landete die Kapsel des Raumschiffes «Chang'e 5» in den frühen Nachtstunden des Donnerstags Ortszeit (Mittwoch MEZ) mit rund zwei Kilogramm Mondproben in der nordchinesischen Steppe, wie das Staatsfernsehen berichtet. Es ist das erste Mal seit 44 Jahren, dass wieder Mondgestein auf die Erde gebracht worden ist.
Bergungstrupps mit Hubschraubern und Fahrzeugen mit starken Suchscheinwerfern starteten, um die Kapsel im Siziwang Banner in der Inneren Mongolei zu finden. Die Suche wird durch die nächtliche Dunkelheit und harsches Winterwetter mit Schnee, Wind und Temperaturen von mehr als Minus 20 Grad erschwert. Die Kapsel ist auch nur ein Siebtel so gross wie bemannte chinesische Raumschiffe.
Landezone 21'000 Quadratkilometer gross
Zugleich ist das Landegebiet 16-mal grösser als sonst, weil die Kapsel die Methode des «hüpfenden Wiedereintritts» in die Erdatmosphäre verwendete, um übermässige Hitze und Schäden zu vermeiden. Die langgezogene Flugbahn erinnert dabei an einen im flachen Winkel über eine Wasseroberfläche geworfenen, hüpfenden Stein. Dadurch ist der Landepunkt schwerer vorherzusagen. Die Landezone ist mit 21'000 Quadratkilometer etwa so gross wie das deutsche Bundesland Hessen.
Die Mondmission galt als «eine der schwierigsten in Chinas Raumfahrtgeschichte», wie es offiziell heisst. «Chang'e 5» bestand aus einem Lander und einem Aufstiegsmodul sowie einem Orbiter und der Kapsel für die Rückkehr.
Die bisher ältesten Proben
Als erster Raumfahrtnation gelang China bei dem Flug ein robotergesteuertes Docking-Manöver ohne Astronauten in der Umlaufbahn des Erdtrabanten, als das Aufstiegsmodul nach der Mondlandung wieder an den Orbiter ankoppelte und das Mondgestein verlud. Der Flug war auch eine wichtige Vorbereitung für eine bemannte Mondlandung, die China bis Ende des Jahrzehnts plant.
Forscher warten gespannt auf das Mondgestein, das viel jünger ist als alle bisher gesammelten Proben der USA und der Sowjetunion. Die Untersuchung könnte neue Erkenntnisse über die vulkanische Aktivität und die Geschichte des Mondes liefern.
Die Apollo-Missionen der USA brachten rund 380 Kilogramm Mondgestein mit. Die Sowjetunion sammelte mit unbemannten Missionen etwa 300 Gramm ein.
Wichtige Hürde
Der Lander von «Chang'e 5» setzte in einem nach dem deutschen Astronomen Karl Rümker (1788-1862) genannten Vulkangebiet auf, das im «Ozean der Stürme» liegt. Diese Region im oberen, linken Teil der erdzugewandten Seite des Mondes ist erst 1,2 Milliarden Jahre alt. Dagegen wird das Alter des Mondgesteins, das die USA und die Sowjetunion in den 60er und 70er Jahren sammelten, auf 3,1 und 4,4 Milliarden Jahren geschätzt.
Mit der Rückkehr von «Chang-e 5» hat China eine wichtige Hürde genommen und weiter zu den grossen Raumfahrtnationen aufgeschlossen. «China hinkt zwar insgesamt weiter hinter Europa und den USA her, aber kommt sehr schnell voran», sagt der australische Raumfahrtexperte Morris Jones der Deutschen Presse-Agentur. «Bald wird es seine eigene Raumstation haben.»
Nächste Station: Mars
China verfolgt ein ehrgeiziges Raumfahrtprogramm mit Missionen zum Mond und zum Mars sowie dem Aufbau einer eigenen Raumstation in den kommenden Jahren. Derzeit laufen ferner zwei Projekte: Im Januar 2019 landete China als erste Raumfahrtnation mit «Chang'e 4» auf der relativ unerforschten erdabgewandten Seite des Mondes. Es wurde ein Rover ausgesetzt, der heute weiter die Oberfläche erforscht.
Auch ist die unbemannte Marssonde «Tianwen-1» (Fragen an den Himmel) gerade auf dem Weg zum «Roten Planeten». Seit dieser Woche ist das Raumschiff mehr als 100 Millionen Kilometer von der Erde entfernt. Im Februar soll es am Mars ankommen, um in den dann folgenden Wochen die Landung zu versuchen, die allerdings als viel riskanter gilt als Mondlandungen. Von 18 Landeversuchen auf dem Mars waren bisher nur 10 erfolgreich – allein neun durch die USA.
Chinas Mondflug erfolgte 51 Jahre nach der ersten bemannten Mondlandung der USA am 21. Juli 1969, bei der Neil Armstrong und Edwin «Buzz» Aldrin als erste Menschen die Oberfläche des Erdtrabanten betraten. Die USA haben sechs Mal Astronauten auf den Mond gebracht. Mit «Apollo 17» im Dezember 1972 stellten die Vereinigten Staaten ihre bemannten Mondlandungen ein.
Experiment mit Pflanzensamen
Wissenschaftler warten auch auf Pflanzensamen, die «Chang'e 5» mit ins All genommen hatte. Darunter sind Reis, Orchideen, Alfalfa und Hafer, wie die Nachrichtenagentur Xinhua berichtete.
Die Idee ist, die Samen der Schwerelosigkeit und kosmischer Strahlung auszusetzen, wodurch vielleicht Mutationen ausgelöst werden, die höhere Erträge oder bessere Qualität versprechen. Solche Veränderungen sind nach Angaben von Wissenschaftlern aber unmöglich vorherzusagen und zeigen sich erst nach der Rückkehr zur Erde und weiteren Züchtungen. (SDA)