Es ist eine ironische Wendung der Weltgeschichte: Zu ihrem wohl teuersten Bauwerk haben die US-Amerikaner ohne die Russen seit Jahren keinen Zugang mehr. Nur russische Sojus-Raumschiffe transportierten noch Astronauten zur hauptsächlich von den USA finanzierten Internationalen Raumstation (ISS). Ihre Gesamtkosten belaufen sich auf über 100 Milliarden Dollar.
Damit ist nun Schluss: Nach knapp neunjähriger Pause sollten erstmals wieder Astronauten von den USA aus zur ISS starten – mit der privaten Raumfahrt-Firma SpaceX von Elon Musk (48). Doch der Start musste wegen schlechten Wetters abgebrochen werden. Über dem Weltraumbahnhof Cape Canaveral im US-Bundesstaat Florida waren dunkle Wolken zu sehen und es regnete in Strömen. Neu soll der Raketenstart am Samstagabend (Schweizer Zeit) über die Bühne gehen.
Im Auftrag der Nasa
Die Astronauten starten nicht an Bord eines Raumschiffs der Nasa, sondern in deren Auftrag mit einer «Falcon 9»-Rakete und der Raumfahrtkapsel «Crew Dragon» von SpaceX. Und das mitten in der Corona-Pandemie, in der Unternehmen nur eingeschränkt arbeiten können und Zuschauer nicht zugelassen werden.
Neben SpaceX war auch Boeing damit beauftragt worden, Transporter für Astronauten zu entwickeln. Der von Boeing entwickelte «Starliner» schaffte es allerdings bei einem ersten Versuch im Dezember nicht zur ISS. Der unbemannte Test soll nun wiederholt werden. Bis dahin ruhen alle Hoffnungen auf dem «Crew Dragon», wie Nasa-Chef Jim Bridenstine (44) deutlich macht. «Diese Mission hat für die Vereinigten Staaten eine hohe Priorität.»
An Bord sind zwei Astronauten
Im «Crew Dragon» sitzen die Nasa-Astronauten Robert Behnken (49) und Douglas Hurley (53), beide Veteranen des Space-Shuttle-Programms. «Es ist wahrscheinlich der Traum von jedem Schüler einer Testpilotenschule, mit einem brandneuen Raumschiff zu fliegen», sagte Behnken jüngst bei einer Pressekonferenz. «Und ich habe das grosse Glück, so eine Chance zu haben.»
Rund einen Monat sollen die beiden US-Astronauten an Bord der ISS bleiben – deutlich länger als geplant. Denn: Die Raumstation ist derzeit mit nur drei Raumfahrern – den beiden Russen Anatoli Iwanischin und Iwan Wagner sowie dem Nasa-Astronauten Christoper Cassidy – zu knapp besetzt
Der Flug sei «der letzte Test» des «Crew Dragon», betont die Nasa. «Das sollten wir nicht aus den Augen verlieren», sagt Nasa-Chef Bridenstine. «Wir machen das, um Dinge zu lernen. Und wir nehmen es sehr, sehr ernst in Hinblick auf Sicherheit.»
Letzter US-Flug war im Sommer 2011 mit «Atlantis»
Zuletzt waren im Sommer 2011 Astronauten mit der Raumfähre «Atlantis» auch von der Abschussrampe 39A des Weltraumbahnhofs Cape Canaveral in Florida aus zur Raumstation geflogen. Danach mottete die US-Raumfahrtbehörde Nasa ihre Space-Shuttle-Flotte aus Kostengründen ein und war für Flüge zur ISS seither auf Russland angewiesen.
Das war mit über 80 Millionen Dollar pro Flug in einer russischen Sojus-Kapsel nicht nur teuer, sondern kratzte auch mächtig am Ego. «Die bedeutendste Nation der Welt sollte bei der Raumfahrt nicht auf irgendein anderes Land angewiesen sein», hatte der damalige Nasa-Chef Charles Bolden 2014 gesagt – und eigene Flüge für 2017 angekündigt. Im Zuge technischer Probleme, Finanzierungsschwierigkeiten und Umstrukturierungen nach der Wahl von US-Präsident Donald Trump wurde das Projekt immer weiter aufgeschoben.
Elon Musk und Roskosmos-Chef giften sich an
Russland und deren Raumfahrtbehörde Roskosmos werden den SpaceX-Start ebenfalls mit Spannung verfolgen – obwohl keine russischen Kosmonauten an Bord sind. Ohnehin giften sich der SpaceX-Boss Elon Musk und Roskosmos-Chef Dmitri Rogosin gerne öffentlich an.
Mit den privaten US-Shuttles sollen nämlich künftig auch Touristen und andere Interessenten zur ISS gebracht werden, woran die Nasa und SpaceX verdienen würden. Auch für Roskosmos geht es nicht zuletzt ums Geld, das die Behörde in den letzten Jahren an dem Shuttle-Service für Astronauten verdiente und in andere Projekte wie die Erforschung des Mondes stecken konnte. Das Unternehmen will nun künftig Raumfahrer aus der Türkei, Saudi-Arabien und den Vereinten Arabischen Emiraten ins All schicken.
Roskosmos fliegt günstiger – SpaceX aber nachhaltiger
Rogosin will dabei die Starts seiner Raketen günstiger und damit wettbewerbsfähiger machen. Die Kosten sollten um mehr als 30 Prozent sinken, kündigte er vor wenigen Wochen an. Das sei eine Reaktion «auf das Preisdumping amerikanischer Unternehmen, die aus dem US-Haushalt finanziert werden».
Zu Ostern legte Musk bei Twitter nach: Im Gegensatz zu den russischen seien seine Raketen zu 80 Prozent wiederverwertbar. Rogosin konterte: Auch Russland entwickle bereits Raketen, die mehr als nur einmal eingesetzt werden könnten. Diese würden dann aber effizienter als die amerikanischen sein. Ein Start liegt allerdings noch in weiter Ferne. (SDA/szm)