Raketen für Belarus, Generäle ausgetauscht – und erste Auslandsreise seit Kriegsbeginn
Was bedeuten Putins neue Kriegs-Entscheide?

Moskau will Belarus atomwaffenfähige Iskander-Raketen liefern und setzt neue Generäle ein. Ob das die Kriegsdynamik ändert, ist unklar.
Publiziert: 27.06.2022 um 19:44 Uhr
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Aktualisiert: 09.06.2023 um 11:33 Uhr
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Putin und Lukaschenko beim Treffen in St. Petersburg.
Foto: IMAGO/SNA
Fabienne Kinzelmann

Diese Ankündigung hat Sprengkraft: Russland will Boden-Raketen vom Typ Iskander nach Belarus verlegen – die auch mit atomwaffenfähigen Raketen bestückt werden können. Das versprach Wladimir Putin (69) dem belarussischen Diktator Alexander Lukaschenko (67) bei einem Treffen am Samstag in St. Petersburg.

Die Iskander-M könnten «sowohl ballistische Raketen als auch Marschflugkörper aufnehmen – sowohl in konventioneller als auch in nuklearer Ausführung», prahlte Putin. Sie haben laut russischen Medien eine Reichweite von bis zu 500 Kilometern. Putins Angaben zufolge sollen zudem die Kampfflugzeuge von Belarus vom Typ Su-25 nachgerüstet werden. «Diese Modernisierung sollte in Flugzeugfabriken in Russland vorgenommen werden.» Dann könnten diese Flugzeuge auch Atomwaffen transportieren.

Bereits am Sonntag feuerte Russland das erste Mal seit drei Wochen Raketen auf Kiew. Und zwar aus Belarus. Rüstet er im treu ergebenen Nachbarland nun auch atomar auf?

Westlicher Gipfelmarathon gegen Putin

Das wäre ein neuer Eskalationspunkt. Belarus hat sich wie die Ukraine mit dem Ende des Kalten Kriegs und dem Zerfall der Sowjetunion von Atomwaffen verabschiedet. Dafür garantierte die Nato, keine Atomwaffen in neuen Mitgliedsstaaten in Ost- und Zentraleuropa zu stationieren. Rüstet Putin Belarus auf, wäre diese Vereinbarung hinfällig. Ausserdem ist unklar, ob Belarus die Atomraketen noch angemessen lagern könnte. Der Uno-Atomwaffenexperte Pavel Podvig sieht die Wahrscheinlichkeit für eine Stationierung der Waffen in Belarus darum «bei gegen null», wie er auf Twitter schreibt.

Putin könnte die Atomwaffen stattdessen nah an die Grenze verlegen. Die Möglichkeit allein ist ein unverhohlenes Signal nach Europa, wo aktuell ein Gipfel-Marathon stattfindet – mit der Ukraine im Mittelpunkt. Nach dem EU-Ratsgipfel, auf dem die Ukraine zur Beitrittskandidatin ernannt wurde, startete am Wochenende der G7-Gipfel in Deutschland. Anschliessend folgen der Nato-Gipfel in Madrid sowie die Ukraine-Wiederaufbau-Konferenz in Lugano.

Putin tauschte General aus und reist nach Tadschikistan

Putin will angesichts der breiten internationalen Front offenbar die Kriegsdynamik ändern. Dafür sprechen auch zwei weitere Entscheide Putins. Seinen zuletzt für die Ukraine zuständigen General Alexander Dwornikow (60) hat er offenbar nach nicht mal zwei Monaten wieder abgesetzt. Und neben Belarus stärkt Putin auch die Beziehung mit anderen Nachbarländern. Seine erste Auslandsreise seit Kriegsbeginn soll ihn heute Dienstag nach Tadschikistan führen. Am Mittwoch plant er die Teilnahme an einem zentralasiatischen Gipfeltreffen in Turkmenistan.

Das ist kein Heimspiel für Putin. Kasachstan etwa hat sich geweigert, die von Russland unterstützten selbst ernannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk in der Ostukraine anzuerkennen. Und auch eine Videoansprache von Wolodimir Selenski (44) könnte Putins Nachbarn zum Nachdenken bringen. Nach den Raketenangriffen und Putins Versprechen an Lukaschenko rief der ukrainische Präsident die Belarussinnen und Belarussen am Sonntagabend auf, sich nicht in den russischen Angriffskrieg hineinziehen zu lassen. Für Putin seien diese ohnehin nur «Sklaven und Kanonenfutter».

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