Radikale Staatsreligion
Wie ernst ist es den Saudis mit der Anti-Terror-Koalition?

Saudi-Arabien soll sich verstärkt gegen den Terrorismus engagieren. Dazu hat das Land eine islamische Koalition ins Leben gerufen. Doch die Scheichs haben ein Glaubwürdigkeitsproblem, das nicht so einfach wegzureden ist.
Publiziert: 15.12.2015 um 15:24 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 19:59 Uhr
Der saudische Vize-Kronprinz und Verteidigungsminister Mohammed Bin Salman (links) und sein ägyptischer Verbündeter, Präsident Abd al-Fattah al-Sisi.
Foto: KEYSTONE/EPA OFFICE OF THE EGYPTIAN PRESIDENT/HANDOUT
Von Georg Nopper

Saudi-Arabien hat nach eigenen Angaben eine internationale islamische Anti-Terror-Koalition ins Leben gerufen. 34 Länder seien Teil des Bündnisses, das künftig in Riad seinen Sitz haben wird. Dies teilte die staatliche Nachrichtenagentur SPA heute mit. Damit kommt das Land offenbar der Forderung seines Verbündeten USA nach, wonach die Golfstaaten sich im Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) verstärkt engagieren sollen.

Angesichts der radikalen sunnitischen Staatsreligion Saudi-Arabiens, dem sogenannten Wahhabismus, haben die Herrscher aber sichtlich Mühe, der Weltöffentlichkeit ihre Anti-Terror-Bemühungen glaubhaft darzustellen. Die Wirksamkeit der Anti-Terror-Koalition unter saudischer Führung ist ohnehin fraglich, denn in dieser islamischen Runde gibt es gähnende Lücken.

Werbeaktion in Deutschland

Zweifeln an ihrer Anti-Terror-Kompetenz begegnet Saudi-Arabien mit der grossen PR-Kelle: So hat das Land letzten Freitag in Deutschland für 66'000 Euro ein ganzseitiges Inserat in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» geschaltet. Titel über dem sechsspaltigen Text: «Das Königreich Saudiarabien – Initiativen und Aktionen zur Bekämpfung des Terrorismus»

Die Vorgeschichte für die staatliche Werbeaktion: Der deutsche Auslandsgeheimdienst BND hatte vor einer zunehmend destabilisierenden Rolle Saudi-Arabiens in der Region gewarnt. Bundeskanzlerin Angela Merkel nahm das mit Deutschland verbündete Land zwar umgehend gegenüber dem eigenen Geheimdienst in Schutz. Doch in der Regierung ist man sich uneinig, wie Deutschland sich den Scheichs gegenüber verhalten soll.

«Die Zeit des Wegschauens ist vorbei»

Der deutsche Wirtschaftsminister und SPD-Chef Sigmar Gabriel kiritisierte Saudi-Arabien in einem Zeitungsinterview kürzlich ungewöhnlich scharf. Das Land fördere den religiösen Extremismus, auch in Deutschland. «Aus Saudi-Arabien werden überall in der Welt wahhabitische Moscheen finanziert. Aus diesen Gemeinden kommen in Deutschland viele islamistische Gefährder.» Bei der Lösung der regionalen Konflikte sei man auf Saudi-Arabien zwar angeweisen. «Wir müssen den Saudis aber zugleich klarmachen, dass die Zeit des Wegschauens vorbei ist.»

Auch SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann warnt vor der Ausbreitung der extremen sunnitischen Glaubensrichtung des Wahhabismus durch Saudi-Arabien. Der Wahhabismus liefere dem IS die «komplette Ideologie» und trage zur Radikalisierung moderater Muslime bei.

Wo sind die schiitischen Anti-Terror-Partner?

Die Zusammensetzung der heute bekanntgegebenen islamischen Anti-Terror-Koalition erweckt den Eindruck, es handle sich primär um eine sunnitische Anti-Schiiten-Koalition: Dem Bündnis gehören vor allem sunnitisch dominierte Staaten wie Ägypten, die Türkei, der Sudan, Jordanien, Libyen, Marokko und Pakistan an. Einflussreiche schiitische Anti-Terror-Partner stehen hingegen nicht auf der Liste: Saudi-Arabiens Erzfeind Iran fehlt ebenso wie der von Schiiten regierte Irak und das von Iran gestützte Syrien, auf deren Territorien sich die Terrormiliz IS mehrheitlich eingenistet hat.

Kann eine solche Koalition überhaupt angemessen gegen den IS vorgehen? Oder handelt es sich bei der Ankündigung des Bündnisses in erster Linie um eine Imagekampagne des saudischen Königshauses? Fest steht: Bodentruppen sunnitischer Staaten sind bei den Regierungen im Irak und in Syrien unerwünscht. Die Bemühungen der islamischen Anti-Terror-Koalition werden sich also auf wenig effiziente Luftangriffe gegen den IS beschränken müssen, wenn die Bündnispartner nicht eine unheilvolle Verschärfung des Konflikts zwischen Sunniten und Schiiten riskieren wollen.

Das sind die 34 Staaten der islamischen Koalition gegen den Terror: Saudi-Arabien, Jordanien, Vereinigte Arabische Emirate, Bahrain, Tunesien, Dschibuti, Sudan, Somalia, Palästinensergebiete, Komoren, Katar, Kuwait, Libanon, Libyen, Ägypten, Marokko, Mauretanien, Jemen, Benin, Tschad, Togo, Senegal, Sierra Leone, Gabun, Guinea, Elfenbeinküste, Mali, Niger, Nigeria, Pakistan, Afghanistan, Bangladesch, Malaysia, Malediven.

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