Sein Kampf gegen die Korruption im Kreml hat den Journalisten Wladimir Kara-Mursa fast das Leben gekostet. Zweimal wurde er mit einer unbekannten Substanz vergiftet. Doch Kara-Mursa gibt nicht auf: Er kämpft weiter – und bittet die Schweiz um Mithilfe. BLICK traf den mutigen Putin-Kritiker in Genf.
BLICK: Wladimir Kara-Mursa, auf Sie wurde zweimal ein Giftanschlag verübt. Können Sie noch ruhig leben oder trinken Sie jedes Bier mit grösster Vorsicht?
Wladimir Kara-Mursa: Man kann nicht ständig in Angst leben. Es gibt so viele Möglichkeiten, jemanden zu vergiften. Es muss nicht immer das Essen oder ein Getränk sein.
Wer steckte hinter den Giftanschlägen?
Die Attacken tragen die Handschrift der russischen Sicherheitsdienste oder von Leuten mit Verbindungen zu ihnen. In beiden Fällen wurde ein sehr starkes und hoch entwickeltes Gift verwendet. Innert Stunden haben alle meine wichtigen Organe versagt. Meine Überlebenschancen lagen bei fünf Prozent.
Warum ist Gift bei Geheimdiensten so beliebt?
Es ist wirkungsvoll und hinterlässt kaum Spuren. Die Ärzte sprachen von einer unidentifizierbaren toxischen Substanz. Mit Gift kann man Leute relativ einfach auch im Ausland aus dem Weg räumen. So wurden in London schon 1978 der bulgarische Dissident Georgi Markow, er war damals 49, mit einer präparierten Schirmspitze und 2006 der russische Systemkritiker Alexander Litwinenko 44-jährig mit radioaktivem Polonium ermordet.
Warum hat man versucht, Sie aus dem Weg zu räumen?
Es ist wohl die Reaktion auf meine jahrelange Arbeit in der russischen Opposition. Ich setze mich dafür ein, dass der Westen gezielt Sanktionen gegen Einzelpersonen erhebt – gegen Leute des Putins-Regimes, die in Korruption oder Menschenrechtsverletzungen verwickelt sind.
Warum nehmen Sie das Risiko auf sich, gegen Putin zu kämpfen?
Wir wissen, dass es gefährlich ist, wenn man Herrn Putin widerspricht. Aber es dient Russland mehr, zu kämpfen, als ein korruptes Land zu haben, das von einem Ex-KGB-Offizier geführt wird. Ich kämpfe, weil ich mein Land liebe. Wenn wir einfach zuschauen, was dieses Regime mit unserem Land macht, dann machen wir uns mitschuldig.
Putin scheint aber in Russland sehr populär zu sein.
Seine Beliebtheit wurde nie bei freien Wahlen bestätigt. So wird es auch bei den sogenannten Präsidentschaftswahlen am 18. März sein.
Warum sogenannt?
Es sind keine freien Wahlen, sie sind manipuliert. Unbequeme Konkurrenten wurden ausgeschaltet oder wie mein Freund Boris Nemzow vor drei Jahren gar getötet. So ist es keine Kunst, Wahlen für sich zu entscheiden.
Was wollen Sie ändern?
Viele Leute um Putin bestehlen Russland und geben dieses Geld im Westen aus. Gerade Menschen, welche die Demokratie in Russland mit Füssen treten, wollen im Ausland von diesem Privileg profitieren. Sie schicken ihre Kinder in gute westliche Schulen, investieren in teure Autos und Häuser.
Auch in der Schweiz …
Ja, die Schweiz war lange bevorzugtes Ziel.
Was erwarten Sie von der Schweiz?
Wenn man solchen Leuten die Türen öffnet, unterstützt man die Korruption. Ich setze mich in ausländischen Parlamenten dafür ein, dass diese Leute sanktioniert werden. Die USA und andere Länder haben das sogenannte Magnitski-Gesetz eingeführt, das gewisse Leute auf eine schwarze Liste setzt. Ich hoffe sehr darauf, dass auch die Schweiz ein solches Gesetz beschliesst.
Welche Sanktion müsste die Schweiz ergreifen?
Jenen Personen, die korrupt sind und Menschenrechte verletzen, sollten zum Beispiel ein Visum, die Eröffnung von Bankkonti oder der Kauf einer Liegenschaft verweigert werden.
Glauben Sie, dass Moskau die US-Präsidentschaftswahlen manipuliert hat?
Sicher ist, dass Russland schon seit Jahren Wahlen im In- und Ausland manipuliert. Sicher ist auch, dass der rechtsextreme Front National in Frankreich von Moskau aus finanziell unterstützt wurde. Eine Einmischung in den US-Wahlkampf wäre für mich keine Überraschung.
Was wollten Sie Putin schon lange mal sagen?
Herrn Putin habe ich nichts zu sagen.
Was ist Ihr grösster Wunsch?
Ein demokratisches Russland. Es würde nicht nur Russland dienen, sondern wäre für die ganze Welt ein Vorteil.
Der russische Journalist und Historiker Wladimir Kara-Mursa (36) entkam zweimal knapp dem Tod. Im Mai 2015 erlitt er nach dem Mittagessen in einem Moskauer Restaurant ein plötzliches Nierenversagen und musste erbrechen. Er wurde notfallmässig ins Spital eingeliefert und lag eine Woche im Koma.
2017 musste er wegen gleicher Symptome erneut im Spital behandelt werden. Die Ärzte stellten beide Male eine schwere Vergiftung durch eine unbekannte Substanz fest. Untersuchungen der Blutproben in Frankreich und Israel brachten keine weiteren Erkenntnisse.
Kara-Mursa war Freund und Berater des am 27. Februar 2015 in Moskau ermordeten Putin-Kritikers Boris Nemzow (†55). Die beiden waren Mitglieder des Oppositionsbündnisses Komitee 2008 und warnten in einem Zeitungsartikel vor «der Gefahr des Putinismus».
Heute ist Kara-Mursa wieder gesund. Er koordiniert die Arbeit von Open Russia in Russland, einer Stiftung, die der Ex-Oligarch Michail Chodorkowski (54) gegründet hatte und finanziert. Die Organisation treibt die Demokratie voran und fördert die Menschenrechte. Der Autor mehrerer Bücher erhielt diese Woche in Genf den Prix du courage des «Geneva Summit for Human Rights and Democracy».
Wladimir Kara-Mursa lebte nach den Attacken vorübergehend in den USA. Inzwischen ist er wieder nach Moskau zurückgekehrt, seine Frau und drei Kinder Familie blieben in Amerika.
Der russische Journalist und Historiker Wladimir Kara-Mursa (36) entkam zweimal knapp dem Tod. Im Mai 2015 erlitt er nach dem Mittagessen in einem Moskauer Restaurant ein plötzliches Nierenversagen und musste erbrechen. Er wurde notfallmässig ins Spital eingeliefert und lag eine Woche im Koma.
2017 musste er wegen gleicher Symptome erneut im Spital behandelt werden. Die Ärzte stellten beide Male eine schwere Vergiftung durch eine unbekannte Substanz fest. Untersuchungen der Blutproben in Frankreich und Israel brachten keine weiteren Erkenntnisse.
Kara-Mursa war Freund und Berater des am 27. Februar 2015 in Moskau ermordeten Putin-Kritikers Boris Nemzow (†55). Die beiden waren Mitglieder des Oppositionsbündnisses Komitee 2008 und warnten in einem Zeitungsartikel vor «der Gefahr des Putinismus».
Heute ist Kara-Mursa wieder gesund. Er koordiniert die Arbeit von Open Russia in Russland, einer Stiftung, die der Ex-Oligarch Michail Chodorkowski (54) gegründet hatte und finanziert. Die Organisation treibt die Demokratie voran und fördert die Menschenrechte. Der Autor mehrerer Bücher erhielt diese Woche in Genf den Prix du courage des «Geneva Summit for Human Rights and Democracy».
Wladimir Kara-Mursa lebte nach den Attacken vorübergehend in den USA. Inzwischen ist er wieder nach Moskau zurückgekehrt, seine Frau und drei Kinder Familie blieben in Amerika.