Anfang Oktober gab US-Präsident Donald Trump (73) mit dem Abzugsbefehl aus Syrien den Türken praktisch grünes Licht für eine Invasion in Nordsyrien. Die Verantwortung liege nun bei anderen, sagte Trump: «Die Türkei, Europa, Syrien, Iran, Irak, Russland und die Kurden müssen nun die Situation herausfinden», sagte Trump.
Damit triumphiert der russische Präsident Wladimir Putin (67) in Syrien auf ganzer Linie. Der Westen hat kapituliert. Syrer, Türken und Russen haben keine Einmischung mehr zu fürchten.
Eben hat sich der syrische Machthaber Bashar al-Assad (54) auch gegen den Vorschlag der deutschen Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (57) ausgesprochen, im Norden Syriens eine internationale Schutzzone einzurichten. Endlich ist man Europäer und Amerikaner los.
Moskau und Ankara unterzeichnen Schutzabkommen
Die Türkei und Russland haben sich als Schutzmächte Syriens darauf verständigt, das nordsyrische Grenzgebiet zur Türkei gemeinsam zu kontrollieren. In einem im Staatsfernsehen übertragenen Interview lobte Assad die Einigung zwischen Moskau und Ankara. Das Abkommen sei ein «positiver» Schritt. Auch wenn es «nicht alles erreichen kann (...) es ebnet den Weg, um dieses Gebiet in naher Zukunft zu befreien». Assad setzt Kurden das Messer an den Hals – und hat Erdogan so auf seiner Seite.
Eine 30-Kilometer-Schutzzone steht damit unter Kontrolle Russlands und der Türkei. Tatsache ist, dass es Moskau damit geschafft hat – und eben nicht die USA oder Europa – der Türkei Einhalt zu bieten. Gleichzeitig hat Moskau auch der Internationalisierung des Konflikts, wie von Deutschland vorgeschlagen, den Riegel geschoben.
Der vierte im Bunde ist Syriens langjähriger Verbündeter Iran. Nach acht Jahren Bürgerkrieg sitzt Assad damit unangefochtener denn je an der Macht, gestärkt durch wichtige regionale Verbündete an seiner Seite.
Putin gibt sich als Friedensstifter
Trump hat gezeigt, dass die USA nicht länger die verlässliche globale Führungsmacht der freien Welt sind. Putins Kalkül geht in vollem Umfang auf. Selbst der syrische militärische Arm der vom türkischen Präsidenten Erdogan (65) erbittert bekämpften Kurdischen Arbeiterpartei PKK (die Volksverteidigungseinheiten der Partei der Demokratischen Union, PYD) wurde in ein Bündnis mit dem Assad-Regime gezwungen.
Damit sind auch Erdogan die Hände gebunden, gegen die Kräfte vorzugehen, die Ankara als terroristische Organisation erachtet. Putin stellt mit der Moskau-Teheran-Damaskus-Kriegsallianz sogar eine Art Waffenruhe in der Region her. Unter der Aufsicht von Putin, der sich als Friedensvermittler gibt, können die Autokraten in Damaskus, Ankara und Teheran nun die Ansprüche in Syrien unter sich aushandeln.
Derzeit wird die Nachkriegsordnung für Syrien festgelegt. All der Terror und die Giftgasangriffe der letzten acht Jahre Bürgerkrieg scheinen vergessen und werden wohl kaum je aufgearbeitet.
Auch China macht sich bereit
Ohne Russland geht nichts mehr in Syrien, und Washington und die Europäer haben keinen Einfluss mehr. Die Autonomie der Kurden scheint verschenkt, der iranische Einfluss in der Region wird nicht schwächer – und schon versucht auch China in das Vakuum vorzustossen, dass die USA und Europäer hinterlassen.
Im Rahmen seiner Belt-and-Road-Initiative, die China mit massiven Infrastrukturprojekten direkt mit dem restlichen Asien, Europa und Afrika verbinden wird, sucht Peking Direktanschluss an Mittelmeerhäfen – konkret auch in Syrien.
Russland hat bereits ein Nutzungsrecht für Syriens Marinehafen Tartus bis ins Jahr 2065 unterzeichnet. Unlängst sicherten sich auch die Iraner den Zuschlag, Teile des syrischen Mittelmeerhafens von Latakia zu pachten. Es versteht sich von selbst, dass China bereits Milliarden für den Wiederaufbau von Syrien in Aussicht stellt. (kes)