Verteidiger, Staatsanwälte und das Gericht in Minneapolis hatten bis Dienstag zweieinhalb Wochen lang dutzende Kandidaten befragt, um 15 möglichst faire und unvoreingenommene Jury-Mitglieder zu finden. Die Geschworenen werden ab Montag im Hauptverfahren über Schuld und Unschuld des weissen Ex-Polizisten Derek Chauvin befinden. Ihm wird unter anderem Mord zweiten Grades vorgeworfen, worauf bis zu 40 Jahre Haft stehen.
Der 46-jährige Floyd war am 25. Mai 2020 in Minneapolis bei einer brutalen Festnahme ums Leben gekommen. Videos haben unter anderem dokumentiert, wie Polizeibeamte Floyd zu Boden drückten. Chauvin presste dabei sein Knie gut acht Minuten lang in Floyds Hals, während dieser flehte, ihn atmen zu lassen. Floyd verlor der Autopsie zufolge das Bewusstsein und starb. Chauvin hat auf nicht schuldig plädiert.
Die Geschworenen haben im US-Recht eine herausgehobene Bedeutung. In einem so bekannten und ausführlich in den Medien behandelten Fall wie der Tötung Floyds war es schwierig, unvoreingenommene Juroren zu finden. Verteidigung und Staatsanwaltschaft durften daher je eine bestimmte Zahl vorgeschlagener Geschworener ablehnen. Letztlich wurden 15 Geschworene ausgewählt. Zwölf von ihnen werden das Urteil fällen, zwei sind Ersatzkandidaten und einer soll schon am Montag beim Beginn des Hauptverfahrens wieder entlassen werden.
Die Juroren im Chauvin-Prozess bleiben aus Sicherheitsgründen zunächst anonym. Um Transparenz und Vertrauen zu schaffen, gab das Gericht aber unter anderem ihre Hautfarbe, das ungefähre Alter und ihren Beruf bekannt. Unter den ausgewählten neun Frauen und sechs Männern sind unter anderem vier Schwarze. Relativ zu ihrem Anteil in der Bevölkerung sind Schwarze damit leicht überrepräsentiert.
Die Erwartungen an den Prozess sind immens - Floyds Schicksal hatte in den USA mitten in der Corona-Pandemie monatelang zu Massenprotesten gegen Polizeigewalt und Rassismus geführt. Die Proteste erschütterten das Land in historischem Ausmass. Auch in anderen Ländern der Welt, darunter in Deutschland, gingen Menschen gegen Rassismus auf die Strasse. Viele Menschen in den USA hoffen auf ein Urteil, das ein Zeichen gegen Rassismus und Polizeigewalt setzt.
Die Stadt Minneapolis hatte sich erst kürzlich wegen des Handelns der Polizei mit Floyds Familie auf eine Vergleichszahlung in Höhe von 27 Millionen US-Dollar (etwa 22,6 Millionen Euro) geeinigt. Das strafrechtliche Verfahren ist davon nicht direkt betroffen. Chauvins Anwalt Eric Nelson hatte aber argumentiert, dass es angesichts der Zahlung schwierig sei, einen fairen Prozess zu haben. Er forderte daher, den Prozess zu verzögern und die Verhandlung in eine andere Stadt zu verlegen. Richter Peter Cahill lehnte diese Anträge ab.
Chauvin, der nach dem Vorfall entlassen worden war, muss sich wegen Mordes zweiten Grades ohne Vorsatz verantworten. Nach deutschem Recht entspräche dieser Anklagepunkt eher dem Totschlag. Zudem wird Chauvin Mord dritten Grades vorgeworfen, worauf bis zu 25 Jahre Haft stehen. Auch muss er sich wegen Totschlags zweiten Grades verantworten, worauf zehn Jahre Haft stehen. Der Ex-Polizist ist derzeit auf Kaution frei und muss während des Prozesses anwesend sein.
Chauvins Verteidiger argumentieren, der Einsatz gegen Floyd sei gerechtfertigt gewesen, weil dieser Widerstand geleistet habe. Zudem argumentieren sie, dass Floyds Tod nicht auf Gewalteinwirkung zurückgehe, sondern vor allem auf dessen vorbelastete Gesundheit und Rückstände von Drogen in seinem Blut.
Die Polizisten hatten Floyd wegen des Verdachts festgenommen, mit einem falschen 20-Dollar-Schein bezahlt zu haben. Neben Chauvin sind drei weitere am Einsatz gegen Floyd beteiligte Ex-Polizisten angeklagt, die in einem separaten Verfahren ab dem 23. August vor Gericht stehen werden. Ihnen wird Beihilfe zur Last gelegt. Auch ihnen könnten langjährige Haftstrafen drohen.
(SDA)